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Das gläserne Paradies

Das gläserne Paradies

Titel: Das gläserne Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Anmarsch. Es lag in derLuft, die fast kristallklar war. Es lag in den schon vereinzelt fallenden Blättern. Etwas ging zu Ende – und etwas Neues begann.
    In Sonneberg führte ihr Weg sie immer zu David Wagner. Sie war die Wortführerin der Genossenschaft – da war es doch nur rechtens, daß sie sich nach dem Verlauf des Geschäfts erkundigte, oder? Zumindest rechtfertigte sie ihre häufigen Besuche bei ihm auf diese Art. Der Gedanke, daß sie dem Mann womöglich die Zeit stahl, wäre ihr zu peinlich gewesen. Nicht, daß David Wagner ihr je dieses Gefühl gegeben hätte!
    Er teilte ihre Ängste in bezug auf die Reederei zwar nicht, aber er nahm sie ernst und erklärte, daß die Kapitäne der Schlüter-Schiffe gut ausgebildet seien, Piraten sich lieber Schiffe mit Gewürzen und Edelmetallen aussuchten und außerdem kein Krieg in Sicht sei. Wanda nickte. Und dennoch …
    Lesen! befahl David daraufhin und zeigte auf die dicken Zeitungsstapel, die er nach wie vor stets in seinem Büro parat hielt. Es sei wichtig, über das, was in der großen, weiten Welt passierte, bestmöglich informiert zu sein. Je mehr man wisse, desto besser könne man eine Lage einschätzen und desto weniger sei man auf bloßes Spekulieren angewiesen.
    Die Zeitungen bekam er von Alois Sawatzky, erfuhr Wanda, die daraufhin sagte, Sawatzky sei auch ein Freund von ihr.
    Anfangs war Wanda nicht gerade begeistert von diesen gemeinsamen Lesestunden. Viel lieber hätte sie sich einfach nur unterhalten. Über dieses und jenes, über Gott und die Welt. Doch bald merkte sie, daß ihre Ängste während des Lesens immer kleiner wurden und ihre Nerven weniger flatterten, solange sie sich an den Zeilenfesthielt. Nirgendwo eine Zeile über tropische Stürme über dem Atlantik! Nirgends ein Artikel über Piraterie in diesen Gewässern! Und auch nichts über gesunkene Bremer Schiffe.
    Â»Warten Sie ab, bis die Schiffe wohlbehalten in Bremen eingelaufen sind! Meine Berliner Kontaktperson meint, das sei der Zeitpunkt, an dem die Schlüter-Reederei die Nachricht von dem Vertrag mit den Amerikanern offiziell kundtun wird. Natürlich wird sich diese Information dann auch irgendwo auf den Wirtschaftsseiten der Zeitungen finden lassen. Und diese Nachrichten sind die einzigen, die uns interessieren, denn sie bedeuten: steigende Aktienkurse!« An dieser Stelle wedelte er stets mit seiner Hand, als wolle er die Aktien höchstpersönlich anheben. »Wir werden es allen zeigen!« endete er meistens, und dann lachten sie beide lauthals auf.
    Wanda ging inzwischen erst am Nachmittag in die Bank, dann, wenn die meisten Angestellten langsam Feierabend machen und David und sie ungestört ihrer Leseleidenschaft frönen konnten. Manchmal waren sie so in ihre Lektüre vertieft, daß Wanda gerade noch den letzten Zug nach Lauscha erwischte. Dann hatte sich, wenn sie ankam, schon der Abend über das Dorf gelegt, und die Lichter der Glasbläser blitzten durch die Fenster. Jedesmal kam Wanda gutgelaunt aus Sonneberg zurück. Wie konnte es sein, daß sie in Davids Gegenwart eine solche Ruhe verspürte? Zuversicht und Freude an dem gemeinsamen Abenteuer?
    Doch kaum war sie wieder zu Hause, verflog diese Hochstimmung, und das alte Gedankenkarussell drehte sich von neuem. Was wäre, wenn …
    Im Gegensatz zu ihr taten sich die Mitglieder der Genossenschaft leichter. Ob es Gottvertrauen war oder nurmangelnde Phantasie – was sie so optimistisch stimmte, wußte Wanda nicht. Für die Glasbläser stand fest, daß ihr Aktienhandel höchst erfolgreich enden würde.
    Fast allabendlich trafen sie sich im »Schwarzen Adler«. Es gab in bezug auf die Genossenschaft noch einige Amtsgänge zu tätigen, und der Schriftverkehr mußte erledigt werden. Auch wurden schon die Posten und Aufgaben in der zukünftigen Genossenschafts-Glasbläserei verteilt. Karl der Schweizer Flein sollte weiterhin Obergeselle bleiben, darin war man sich schnell einig. Was Gustav Müller Sohn anging, war die Sachlage schon nicht mehr ganz so einfach: Den einen war er als Sortierer zu streng – naturgemäß handelte es sich dabei um Glasbläser, die nicht immer einwandfreie Ware ablieferten. Den anderen hingegen war er nicht streng genug. Am Ende stand jedoch fest: Gustav sollte Sortierer bleiben. Leute, die bisher noch nicht in der

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