Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das gläserne Tor

Titel: Das gläserne Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Wassermann
Vom Netzwerk:
Arena. Sie gab Fidya mit einem
beschwichtigenden Druck ihrer Hand zu verstehen, dass sie still sein solle, und hastete die Ränge hinauf. Schnell rief sie einen Sklaven herbei und bat ihn, sie dorthin zu führen, wo Anschar jetzt war.

14

    G razia konnte die Stimmen der Zuschauer über sich hören, gedämpft allein durch die hölzerne Decke. Sie ereiferten sich über den Verlauf des Kampfes und stritten um ihre Wetteinsätze. Und doch wirkte es, als sei es still in diesem Raum, denn er war groß und düster. Durch die Ritzen der Decke brachen vereinzelte Lichtstrahlen, die kamen und gingen, je nachdem, was die Besucher darüber taten. An hölzernen Pfeilern hingen Peitschen, lehnten Behältnisse mit Speeren und Stöcken. Es roch nach Schweiß, erkaltetem Blut und Leid. Ganz ähnlich musste es in den Untergeschossen römischer Arenen ausgesehen haben.
    Grazia war danach, wieder hinauszulaufen, denn sie graute sich vor diesem Ort. Anschar hatte ihn sicherlich schon verlassen.
    Da sah sie ihn bäuchlings auf einer Pritsche liegen, mit nacktem Oberkörper. Das Gesicht hatte er in der rechten Armbeuge vergraben. Die linke Hand hing herab, darin hielt er ein zerknülltes Tuch. Es sah aus, als schliefe er.
    Sie sehnte sich danach, auf ihn zuzulaufen, ihn zu berühren, doch das wagte sie nicht. Er hatte sie einmal in einer ähnlichen Situation niedergeschlagen, damals in der Wüste,
als sie zu ihm gekommen war, ihn zu retten – und jetzt nach der Aufregung des Kampfes mochte er ähnlich reagieren. Langsam ging sie auf ihn zu und räusperte sich. Und hielt den Atem an, als er blitzschnell aufsprang, mit einem Mal das Schwert in der Hand hielt und auf sie zustürzen wollte.
    Er erstarrte. Das Schwert entglitt ihm und fiel klirrend zu Boden.
    »Wie geht es dir?« Das war alles, was ihr einfiel. Tausend passendere Worte lagen ihr auf der Zunge, aber wie er da stand, das Gesicht so versteinert, brachte sie nichts Gescheites heraus.
    »Ich habe einen Mann getötet, der ein Freund war. Wie soll es mir da gehen?« Er spuckte es ihr vor die Füße. Sie erschrak, wich zur Tür zurück und legte die Hand auf den Griff. Anschar folgte ihr ein Stück und wendete sich wieder ab.
    »Besser für dich, wenn du gleich wieder gehst«, sagte er. »Das ist kein Ort für ein Fräulein .«
    Das altvertraute Wort aus seinem Mund ließ sie hilflos auflachen. »Aber für dich auch nicht! Du kannst das nicht einfach so hinnehmen.«
    »O doch, ich kann. Lernt man so etwas in deinem Reich nicht?«
    »Normalerweise schon.« Sie biss sich auf die Lippen. »Mein Vater war nur immer sehr nachsichtig mit mir, und da …« Was redete sie da? Belanglose Sachen, für ihn jedenfalls. Auf dem gepflasterten Boden sah sie rote Abdrücke. »Anschar, deine Füße …«
    »Ja, ich weiß. Nicht so schlimm.« Er strich sich die beim Kampf gelösten Haarsträhnen aus dem Gesicht. Getrocknetes Blut klebte an seiner Schläfe. Dann drehte er sich wieder um und musterte sie genauer. »Geht’s dir denn gut? Du bist blass, deine Flecken sind ja kaum noch zu sehen.«
    »Es geht schon«, murmelte sie. »Was machen wir nun?«

    »Soweit es dich betrifft – geh einfach.«
    »Das solltest du auch tun.«
    »Ich kann nicht, das weißt du.«
    »Anschar, bitte.« Flehentlich sah sie ihn an. »Was wäre denn, wenn du es tätest? Ist die Hochebene so klein, dass du anderswo kein Zuhause findest?«
    »Du meinst Flucht ?« Hart stieß er das Wort aus, wie einen Stein, den sie ihm in den Mund gesteckt hatte. »Das ist … das geht nicht. Im meinem ganzen Leben habe ich noch nie auch nur daran gedacht. So wie es ist, ist es richtig. Ich weiß, das verstehst du nicht. Aber es ist so. Ich werde nicht fliehen.«
    »Du findest es richtig, dass jemand von dir verlangt, einen Freund zu töten?«
    »Hör auf, mir Worte ins Ohr zu stopfen, die mir nicht helfen! Und jetzt geh!« Abrupt wandte er sich ab, stapfte in eine Ecke, wo ein Sklave auf einem Schemel saß. Er stieß ihn mit einem blutigen Fuß an, der Sklave sprang auf. Anschar deutete auf Grazia. »Bring sie hinaus. Und denk daran, sie ist eine Edelfrau. Begleite sie sicher bis zum Palast des Meya.«
    Der Sklave nickte hastig und eilte zu ihr, wo er unschlüssig stehen blieb, denn sie machte keine Anstalten, den Raum zu verlassen. Anschar sackte auf den Schemel und riss das Tuch in Streifen, mit heftigen Bewegungen und begleitet von wütendem Schnaufen. Dann drehte er eine Fußsohle nach der anderen nach oben und verband sie notdürftig.

Weitere Kostenlose Bücher