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Das gläserne Tor

Titel: Das gläserne Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Wassermann
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Überlegenheit ab. Von seinen geschundenen Füßen abgesehen, hatte er noch keine Wunde davongetragen, während Darur aus drei Schnitten an Armen und Schenkeln und aus der Nase blutete. Noch beeinträchtigte ihn das nicht; der große, sehnige Mann focht mit derselben unglaublichen Geschwindigkeit wie zu Anfang. Grazia hielt den Atem an, wie sie es in den letzten Minuten andauernd tat. Anschar war in die Knie gegangen. Darur warf sich auf ihn. Mit einem Mal hatte Anschar einen Dolch in der Hand. Grazia sah nicht, was er damit tat, denn sie schlug die Hände vors Gesicht. Nichts zu sehen, war allerdings noch schlimmer. Sie lugte durch die Finger.
    Darur war inzwischen an der gegenüberliegenden Kraterwand angelangt und zerrte den Dolch aus der Seite seines Brustpanzers. Verletzt war er nicht, offenbar hatte sich die Klinge von Anschars Dolch in der Lücke zwischen den Panzerhälften nur verhakt. Er warf die Waffe in die Zuschauerränge.
    »Ich halte das nicht mehr aus«, jammerte Grazia leise in ihre Hände. »Das muss doch endlich ein Ende haben.«
    Darur sprang über den Kratergrund hinweg und lief auf Anschar zu. Sein Schwert zuckte, aber Anschar wehrte den Angriff mühelos ab. Ja, jetzt war es deutlich, Darur hatte mehr Kräfte gelassen. Oder er war einfach nicht der Bessere. Er wurde mit einer wilden Abfolge von Schwerthieben eingedeckt, deren er sich nur mit Mühe erwehren konnte. Als er gar sein Schwert verlor, wich er in die Mitte des Kraters zurück.

    Er sprang an der Kraterwand hoch, dabei geriet er mit den Füßen auf die gefährlichen Stellen. Mittlerweile war der Felsboden voller Blutspuren. Seine Füße hatten es schlimmer erwischt; ständig knickte er ein, und er vermochte seine Schritte nicht mehr zielsicher zu setzen. Langsam ließ Grazia die Hände sinken. Es tat ihr leid um Darur, aber sie wünschte sich nichts sehnlicher, als dass Anschar endlich ein Ende machte – mit ihm, mit diesem Kampf, mit ihrer Angst.
    Anschar schickte sich an, seinen Gegner zu töten. Er riss das Schwert hoch und prallte zurück. Was war das? Es hatte wie ein unsichtbarer Fausthieb ausgesehen. Die Frau an Mallayurs Seite hatte eine Hand gehoben, als habe sie etwas von sich geworfen.
    »Hörst du damit auf!«, zischte Mallayur und schlug ihr auf die Hand, die sie sofort zurückzog. Es wäre Grazia nicht aufgefallen, hätte sie nicht eine ähnliche Handbewegung gemacht, als sie den Meya nassgespritzt hatte. War dies etwa die Nihaye? Grazia schüttelte den Kopf, gewiss ging gerade die Fantasie mit ihr durch. Aber war das verwunderlich? Was immer soeben passiert war, Anschar war dadurch in höchste Gefahr geraten. Abwehrend hatte er die Hand vorgestreckt, während er blinzelte und die Benommenheit abzuschütteln versuchte. Da sprang Darur auf ihn zu, raffte die eine Hälfte des herumliegenden Speeres auf und schlug sie ihm gegen die Schläfe. Es gab einen dumpfen Laut, als Anschar mit dem bronzenen Brustpanzer gegen den felsigen Untergrund stieß. Er keuchte verwirrt auf. Das Schwert entglitt seiner Hand.
    Das plötzliche Geschrei auf den Rängen dröhnte in Grazias Ohren. Sie biss sich in die Finger, um ruhig zu bleiben und nicht aufzuspringen. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, wie Fidya fahrig an ihrer Kappe zupfte, sodass die Federn durch die Luft segelten. Sollte das Eingreifen der Nihaye, falls es so gewesen war, dafür sorgen, dass Anschar unterlag? Er stemmte
sich an der Kraterwand hoch, kam auf die Füße – und glitt in seinem eigenen Blut aus. Hart schlug er auf die Knie, und im gleichen Moment holte Darur mit dem Speerschaft erneut aus. Anschars Versuch, ihm auszuweichen, misslang. Das Holz donnerte gegen seinen Kopf.
    Grazia biss sich in die Finger, dass sie bluteten. Sie sah, wie Anschar eine Hand auf den Hinterkopf presste und versuchte, von Darur fortzukommen, doch der stapfte auf ihn zu und riss ihn an seinen Zöpfen auf die Knie. Er hatte den Speerschaft von sich geschleudert und sein Schwert vom Boden gerissen. Nun hielt er es drohend erhoben.
    Anschar war besiegt. Wie ein Trophäensammler stand Darur neben ihm, hielt seinen Kopf fest und blickte zu Madyur hoch. Augenblicklich wurde es wieder totenstill in der Arena. Was jetzt vor sich ging, schien Anschar nicht mehr richtig zu begreifen, denn sein Blick irrlichterte umher, seine Arme hingen schlaff herab, und sein Brustkorb hob und senkte sich in unregelmäßigen Atemstößen.
    Grazia starrte zum Meya hinüber. Sie wusste, dass der Kampf mit dem Tod endete,

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