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Das gläserne Tor

Titel: Das gläserne Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Wassermann
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einzutauschen. Jetzt würden sie mit leeren Händen zurückkehren. Die Männer des Dorfes rannten über den Platz. Einige hatten Messer gezückt, aber die meisten schienen immer noch nicht begriffen zu haben, was hier vor sich ging. Anschar hieb die Fersen in die Flanken seines Tieres und preschte über den Platz, hin zu der Gasse, die aus dem Dorf hinausführte. Dort wendete er es, um zu sehen, wie die Wüstenmänner zurechtkamen. Sie mühten sich ab, ihre Pferde durch die Menge zu lenken. Die beiden Argaden, die Oream aufgegriffen hatten, zerrten an Parrads Zügeln.
    »Es sind flüchtige Sklaven! Haltet sie fest!«
    Selbst unter dem Dreck, den Parrad sich ins Gesicht geschmiert hatte, ließ sich erkennen, wie bleich er war. Nicht anders hatte er bei seinem Versuch ausgesehen, den Werkstätten zu entkommen. Oream hingegen hatte sich gefasst und ritt auf den Wald zu.

    »Parrad, wozu hast du ein Schwert?«, schrie Anschar. Parrad tastete nach seiner Waffe und versuchte sie zu ziehen, aber Anschar sah schon, dass dabei nichts herauskommen würde. Er packte den eigenen Schwertgriff. Doch dann griff er in den Beutel, den er am Gürtel trug, und schleuderte eine Handvoll Münzen in die Menge. Bis auf die zwei Argaden, die sich darin verbissen hatten, die Sklaven zu stellen, ließen alle von Parrad ab und bückten sich nach den Münzen. Anschar stieß mit dem Fuß die beiden Männer beiseite, gab Parrads Pferd einen Tritt, der es in Bewegung brachte, und galoppierte hinter ihm durch die Gasse. Wenige Augenblicke später waren sie im Wald.
    Er überließ Oream die Führung. Auch nach vier Monaten war es weder ihm noch Parrad gelungen, sich hier zurechtzufinden, schon gar nicht im Dunkeln. Sie folgten verschlungenen Pfaden, ritten an Felshängen entlang und schlängelten sich durchs Unterholz, das so eng stand, dass die Pferde nur mit Mühe hindurchkamen und sie ständig die Arme heben mussten, um sich vor niedrigen Ästen zu schützen. Mit Hinarsyas Hinterteil im Zenit, das sein Licht durchs Geäst schickte, erreichten sie recht schnell ihr Lager. Oream brachte sein Pferd zum Stehen und drehte sich zu Parrad um.
    »Hier finden sie uns nicht, falls sie uns überhaupt gefolgt sind, was ich nicht glaube. Aber wohl ist mir nicht. Wir hatten am Rand des Dorfes übernachten wollen. Und jetzt? Jetzt sind wir mitten im Wald, ohne Schutz vor dem Schamindar. Und das nur, weil du den Kopf verloren hast.«
    »Ich?«, empörte sich Parrad. »Was habe ich denn getan?«
    »Du hättest nicht weglaufen sollen! Solche Kerle brauchen nur jemanden, an dem sie ihren Ärger auslassen können. Von denen, die nachts die Schenke aufsuchen wollen, macht sich keiner die Mühe, den Dorfältesten aus dem Bett zu holen. Ist mir jedenfalls die paar Male, die ich dort war, nie
passiert.« Oream rieb sich die Arme, vor Kälte oder weil ihm der Schreck noch in den Gliedern saß. »Die waren allerdings ziemlich bedrohlich, das gebe ich zu.«
    »Und ob sie das waren«, verteidigte sich Parrad. »Es war keine gute Idee, mich mitzunehmen.«
    »Es war deine«, warf Anschar ein. »Ich habe dir gleich gesagt, dass du noch nicht so weit bist. Du kannst ja ein Pferd nicht von einem Sturhorn unterscheiden.«
    »Na schön, na schön!«, rief Parrad ärgerlich. »Und was tun wir jetzt? Auf einen Baum klettern und zusehen, wie der Schamindar unsere Pferde reißt?«
    »Etwas anderes bleibt uns kaum übrig«, sagte Oream. »Es wäre aber unwahrscheinlich, dass die Große Bestie ausgerechnet hierher kommt. Dazu ist der Wald zu groß. Viel schlimmer finde ich, dass wir unsere Käufe nicht tätigen konnten. Und das Geld ist auch weg, oder?«
    Anschar grub die Hand in den Beutel. »Ein paar Münzen sind noch da.«
    »Warum hast du ihnen nicht einfach die Schädel eingeschlagen?«, wollte Parrad wissen. »Du wärst doch mit Leichtigkeit mit ihnen fertig geworden.«
    »Ja. Und wie lange würde es dauern, bis man sich wieder in ein Dorf wagen kann, in dem Blut geflossen ist?« Anschar knüpfte den Beutel vom Gürtel und schleuderte ihn von sich. »Liebend gern hätte ich sie um einen Kopf kürzer gemacht. Und euch auch!« Als Nächstes riss er sich den Verband herunter. »Ich kann dieses Versteckspiel nicht länger ertragen. Ich hasse diesen Wald. Ihr Götter, wie sehr ich ihn hasse! Warum nur hat mich der Schamindar nicht getötet, bevor ihr herangekrochen kamt? Wofür habt ihr mich gerettet? Dafür, dass ich für den Rest meines Lebens irgendwelchen Leuten ihr Geld abnehme,

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