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Das gläserne Tor

Titel: Das gläserne Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Wassermann
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fragte sie ihn. »Wäre ich dir kein Kupferstück wert?«
    Er presste die Zähne zusammen. So armselig sie war, sie war keine Wüstenfrau. Was, wenn er ihr das Geld gab und sich mit ihr zurückzog? Es würde schnell gehen. Schneller, als er sich Gedanken darum machen konnte, ob es seiner Not überhaupt abhalf.
    Die Überlegung schwand so rasch, wie sie gekommen war. Er schüttelte den Kopf.
    »Dann du?« Sie beugte sich über Parrad und streckte eine Hand nach seiner Kapuze aus. »Lass mich aber erst sehen, ob du wirklich so schmutzig bist, wie du wirkst.«
    Parrad starrte sie an, als habe ihn eine Schlange mit ihrem Blick gelähmt. Anschar konnte förmlich sehen, wie ihm der Speichel im Mund zusammenfloss. Gleich würde sich ein Sturzbach in die Tiefe ergießen. Er schlug eine Hand auf Parrads Knie und bohrte die Finger so fest hinein, dass Parrad zusammenzuckte.
    »Er will auch nicht«, erklärte Anschar ruhig. »Wir haben einander.«

    »Ihr habt euch?« Angewidert verzog die Hure die Lippen. »Ach, so ist das. Ja, dann … gehe ich wohl wieder.«
    Ihr Hüftschwung war um einiges weniger bemüht, als sie sich entfernte. Anschar zog seine Hand zurück.
    »Was sollte denn das ?«, zischte Parrad empört und wischte sich über die feuchten Lippen. »Hast du’s mir nicht gegönnt? Mir wäre sie jetzt gerade recht gekommen.«
    »Wäre es dir auch recht gewesen, wenn sie ›Sklave‹ geschrien hätte? Vor lauter Geilheit hast du nicht bemerkt, dass sie uns in Gefahr gebracht hat. Es gibt weitaus bessere Orte, sich enttarnen zu lassen, als eine belebte Schenke.«
    »Verdammt, verdammt«, fluchte Parrad, aber er nickte zustimmend. In der Tat war der Raum zum Bersten gefüllt. An den Tischen hockten Argaden, Herscheden und sogar eine Gruppe Scheracheden, unverkennbar mit ihren gelockten Haarsträhnen. Das Dorf lag an der Straße nach Nordwesten, und die meisten der Anwesenden waren Durchreisende. Es war der bestmögliche Ort, Dinge zu besorgen, ohne aufzufallen. Keiner fragte, wer jemand war und was ihn herführte. Doch wenn es galt, einen flüchtigen Sklaven aufzustöbern, waren die Menschen hier so aufmerksam wie überall. Der Wirt scheuchte einen Jungen, der sich damit abmühte, einen mit einer Schnur verknoteten Krug zu öffnen. Sein Ohrhaken war ihm frisch eingesetzt worden. Das Ohrläppchen war dick und gerötet, und ständig zupfte er daran herum, bis sein Herr ihn auf den Hinterkopf schlug, damit er es bleiben ließ. Endlich hatte er es geschafft, den Krug zu öffnen, und schleppte ihn an einen Tisch, an dem ein paar Herscheden saßen. Sie ließen sich die Becher füllen, stießen sie auf die Tischplatte, sodass der billige Wein überschwappte, und stürzten ihn die Kehlen hinunter. Auch die Hure war dort zu finden. Sie hockte auf dem Schoß einer der Männer.
    »Wenn ich’s euch sage«, rief er und befahl dem Jungen
mit einem Nicken, erneut nachzuschenken. »Die Schwägerin meiner Schwester hat es gesehen. Mit eigenen Augen.«
    »Wer? Deine Frau?«
    »Nein, du Dummkopf! Die Schwester ihres Mannes. Sie sah es, als sie aufs Haus stieg, um auf dem Dach zu schlafen.«
    »Wer weiß, was sie dort oben wollte – so ganz allein.«
    »Na, wenn schon. Jedenfalls war da ein Licht, sagt sie. Es war wie ein Baumstamm, dick und gerade. Ganz merkwürdig.«
    »Die hat einen anderen Baumstamm gesehen. Der wird aber auch dick und gerade gewesen sein.«
    Gelächter folgte, das die Wände erzittern ließ. Die Hand des Mannes verschwand im Ausschnitt der Frau und knetete grob eine Brust. Auf ihrer Miene spiegelte sich der Versuch, den Schmerz zu unterdrücken und zugleich willig zu wirken. Anschar winkte den Jungen herbei und steckte ihm eine Münze zu.
    »Frag sie ein bisschen aus, wegen dieses Lichts. Unauffällig natürlich.«
    »Wieso denn das?«, fragte Parrad, nachdem der Junge wieder an den Tisch der Herscheden zurückgekehrt war. »Seit wann interessierst du dich für die Bettgeschichten anderer Leute?«
    »Parrad, manchmal möchte ich deinen Kopf nehmen und ihn irgendwo untertauchen.« Mehr sagte Anschar nicht, aber es genügte, ihn zum Schweigen zu bringen. Er sah zu, wie der Junge um den Tisch der Herscheden hüpfte und sich redliche Mühe gab, ihrem grenzenlosen Durst nach Wein und Bier abzuhelfen. Die Hure saß inzwischen rittlings auf dem Mann, während seine Zechkumpane ihre Becher im Takt seiner Stöße auf die Tischplatte hämmerten. Anschar war erleichtert, seinem Drang nicht nachgegeben zu haben.
Es wäre nicht

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