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Das gläserne Tor

Titel: Das gläserne Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Wassermann
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um dieses Leben erträglicher zu machen?«

    »Aber das ist es doch geworden«, wandte Oream vorsichtig ein. »Bevor du kamst, haben wir wie Tiere in unseren löchrigen Zelten gehaust. Jetzt haben wir gute Werkzeuge, Waffen, anständige Kleidung, wir haben …«
    »Das alles hat nichts geändert, weil ihr Tiere seid! «, schrie Anschar. »Warum tue ich das nur? Damit Jernamach mich jedes Mal schief ansieht, wenn ich wieder losziehe? Dass eure Weiber mir die Sachen, die ich anschleppe, aus den Händen reißen, und mich verfluchen, wenn ich ihnen den Rücken zukehre? Dass ich … ach.«
    »Was, ach? Dass du dich selbst nicht mehr ertragen kannst?«, fragte Parrad.
    »Noch ein Wort und ich drehe dir den Hals um.«
    »Was ist nur mit dir? Schlechte Laune hast du ja ständig, aber dieses, ähm, Missgeschick würde dich normalerweise nicht so in Wut versetzen. Zumal ja gar nichts passiert ist. Gut, wir haben das Geld verloren, aber dafür unsere Haut gerettet.«
    »Irgendwann werde ich wirklich mit dem Schwert durch irgendein Dorf stürmen.« Oder mich von einem Felsen stürzen, dachte Anschar. Oder beides. »Es könnte auch eures sein.« Er strich seinem Pferd über die Nüstern, den Hals und bettete die Wange an seinem warmen Fell. Dieses Leben widerte ihn so sehr an, dass er seinem Pferd, das er vor einigen Wochen auf mühseligem Wege in einem weiter entfernten Dorf erworben hatte, nicht einmal einen Namen gab. Auf diese Weise konnte er sich einreden, es nur vorübergehend zu besitzen, so wie er seine Hütte nur vorübergehend bewohnte. Die Sache musste ein Ende haben. Seit vier Monaten war ihm das bewusst.
    Und heute war es vielleicht so weit.
    »Hört zu.« Er wandte sich den beiden wieder zu. »In der Schenke wurde ein seltsames Licht erwähnt. Ich weiß, was dahintersteckt.
Es war das Tor. Das Tor des letzten Gottes, mit dem er in fremde Welten reist. Irgendjemanden hat es nach Heria gebracht, und ich meine zu wissen, um wen es sich handelt. Ich reite heute noch los, um es zu überprüfen. Falls ich mich täusche oder es mir nicht gelingt, was wahrscheinlich ist, mag mit mir geschehen, was will, es ist mir gleichgültig. Aber ich muss es herausfinden. Oream, ich bitte dich darum, mich aus dem Wald zu führen, in südwestliche Richtung, auf die Schlucht zu.«
    Er konnte hören, wie Oream nach Worten suchte. »Na gut, warum nicht?«, sagte der Wüstenmann schließlich. »Ist auch nicht schlimmer, als hier im Baum zu hocken.«
    »He, und was ist mit mir?«, rief Parrad. »Wollt ihr mich allein hier zurücklassen?«
    »Macht dir die Dunkelheit Angst?«, fragte Anschar anzüglich.
    »Nein! Natürlich nicht. Aber bevor ich mir Äste in den Hintern sitze, kann ich auch mitkommen.«
    »Du bist zwar nutzlos und lästig, aber meinetwegen.« Anschar hob den Verband vom Waldboden auf, schüttelte Laub und Nadeln ab und wickelte ihn auf. Spätestens auf der Straße nach Argadye würde er ihn wieder brauchen. Er stopfte ihn in den Gürtel. Dann nahm er den Wasserbeutel vom Sattel und gab dem Pferd zu trinken. Mit den Gedanken war er bereits aus dem verfluchten Wald heraus und in Argadye. Vielmehr in Heria. Anderthalb Tage würde er brauchen. Vielleicht länger, wenn er frühzeitig vom Pferd steigen und sich durchs Niemandsland längs der Schlucht schlagen musste. Wo genau mochte das Tor Grazia, falls sie es gewesen war, abgeladen haben? Die Vorstellung, sie könne in Mallayurs Hände geraten sein, ließ die Strecke zehnmal so lang erscheinen. Wie sollte es ihm gelingen, sie zu finden?
    Bist du es, Feuerköpfchen?, dachte er, als er sich in den
Sattel schwang. Warum bist du zurückgekehrt? Ich will es nur wissen. Ich will sehen, dass es dir gut geht. Danach gehe ich in den Tod, wenn es sein muss.

    »Die Lichter dort … Sind wir wieder beim Dorf herausgekommen?« Parrad hatte sein Pferd an Anschars Seite gelenkt und deutete voraus. Erst vor Kurzem hatten sie den Wald verlassen und die Straße gekreuzt, die in den Nordwesten der Hochebene führte. »Seht ihr? Was ist das?«
    »Ein Lager«, erwiderte Anschar. »Es werden Reisende nach Praned oder Scherach sein. Händler wahrscheinlich. Es ist wohl besser, wir machen einen großen Bogen um sie.«
    »Wir könnten ja schauen, ob sie sich um Geld erleichtern lassen«, meinte Oream.
    »Ja, dann tut es doch«, spottete Anschar. »Das ist bei so einem großen Lager sicher einfach. Ich reite derweil weiter. Ich verstehe sowieso nicht, warum ihr immer noch bei mir seid. Ihr seid keine

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