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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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voll Spaß am Zaubern, am Sichverstellen, am überraschenden Verschwinden und Auftauchen. Ich glaube, schon im Augenblick meines ersten Erscheinens bei der kastalischen Behörde hat er beschlossen, mich zu fangen und auf seine Art zu beeinflussen, das heißt aufzuwecken und in bessere Form zu bringen. Wenigstens gab er sich gleich von der ersten Stunde an Mühe, mich zu gewinnen. Warum er es tat, warum er sich mit mir belud, das kann ich nicht sagen. Ich glaube, Menschen von seiner Art tun das meiste unbewußt, wie reflektorisch, sie fühlen sich vor eine Aufgabe gestellt, hören sich von einer Not angerufen und geben sich dem Anruf ohne weiteres hin. Er fand mich mißtrauisch und scheu, keineswegs bereit, ihm in die Arme zu sinken oder gar ihn um Hilfe zu bitten; er fand mich, den einst so offenen und mitteilsamen Freund, enttäuscht und zugeschlossen, und dieses Hindernis, diese nicht geringe Schwierigkeit schien es nun gerade zu sein, was ihn reizte. Er ließ nicht nach, so spröde ich auch war, und er hat denn ja auch erreicht, was er wollte. Dabei bediente er sich unter andrem des Kunstgriffs, unser Verhältnis zueinander als ein gegenseitiges erscheinen zu lassen, so als entspräche seiner Kraft die meine, seinem Wert der meine, als entspräche meiner Hilfsbedürftigkeit eine ebensolche bei ihm. Schon beim ersten längeren Gespräch deute
te er mir an, daß er auf so etwas wie mein Erscheinen gewartet, ja sich danach gesehnt habe, und allmählich weihte er mich dann in seinen Plan ein, das Amt niederzulegen und die Provinz zu verlassen, und ließ stets merken, wie sehr er dabei auf meinen Rat, meinen Beistand, meine Verschwiegenheit rechne, da er außer mir in der Welt draußen keine Freunde und keinerlei Erfahrung besitze. Ich gestehe, daß ich das gerne hörte und daß es nicht wenig dazu beigetragen hat, ihm mein volles Vertrauen zu gewinnen und mich gewissermaßen ihm auszuliefern; ich glaubte ihm vollkommen. Aber später, im Lauf der Zeit, ist es mir dennoch wieder vollkommen zweifelhaft und unwahrscheinlich geworden, und ich hätte durchaus nicht sagen können, ob und wieweit er wirklich etwas von mir erwartete, und auch nicht, ob seine Art und Weise, mich einzufangen, unschuldig oder diplomatisch, naiv oder hintergründig, aufrichtig oder künstlich und spielerisch war. Er war mir zu weit überlegen, und er hat mir zu viel Gutes erwiesen, als daß ich solche Untersuchungen überhaupt gewagt hätte. Auf jeden Fall halte ich heute die Fiktion, seine Lage sei der meinen ähnlich und er auf meine Sympathie und Dienstbereitschaft ebenso angewiesen wie ich auf die seine, für nichts als eine Artigkeit, für eine gewinnende und angenehme Suggestion, in die er mich einspann; nur wüßte ich nicht zu sagen, wieweit sein Spiel mit mir bewußt, erdacht
und gewollt und wieweit es trotz allem naiv und Natur war. Denn Magister Josef ist ja ein großer Künstler gewesen; einerseits konnte er dem Drang zum Erziehen, zum Beeinflussen, Heilen, Helfen, Entfalten so wenig widerstehen, daß ihm die Mittel nahezu gleichgültig wurden, andrerseits war es ihm ja unmöglich, auch das Kleinste ohne volle Hingabe zu tun. Gewiß aber ist das eine, daß er sich damals meiner wie ein Freund und wie ein großer Arzt und Führer angenommen, daß er mich nicht mehr losgelassen und schließlich soweit geweckt und geheilt hat, als dies überhaupt möglich war. Und es war merkwürdig und paßte ganz zu ihm: während er tat, als nähme er meine Hilfe zu seinem Entkommen aus dem Amt in Anspruch, und während er meine oft derben und naiven Kritiken, ja Anzweiflungen und Beschimpfungen gegen Kastalien gelassen und oft sogar mit Beifall anhörte, während er selbst darum kämpfte, sich von Kastalien freizumachen, hat er mich doch in Tat und Wahrheit dorthin zurückgelockt und geführt, er hat mich wieder zur Meditation gebracht, er hat mich durch kastalische Musik und Versenkung, kastalische Heiterkeit, kastalische Tapferkeit erzogen und umgeformt, er hat mich, der ich trotz meiner Sehnsucht nach euch so ganz un- und antikastalisch war, wieder zu euresgleichen, er hat aus meiner unglücklichen Liebe zu euch eine glückliche gemacht.«
    So hat Designori sich geäußert, und er hatte wohl Grund für seine bewundernde Dankbarkeit. Mag es bei Knaben und Jünglingen nicht allzu schwer sein, sie mit Hilfe unsrer altbewährten Methoden zum Lebensstil des Ordens zu erziehen, bei einem Manne, der schon gegen fünfzigjährig war, war es gewiß eine

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