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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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schwere Aufgabe, auch wenn dieser Mann viel guten Willen mitbrachte. Nicht daß Designori ein Voll- oder gar ein Musterkastalier geworden wäre. Aber was Knecht sich vorgesetzt hatte, ist ihm voll gelungen: den Trotz und die bittere Schwere seiner Traurigkeit aufzulösen, die überempfindlich und scheu gewordene Seele der Harmonie und Heiterkeit wieder näherzubringen, eine Anzahl seiner schlechten Gewohnheiten durch gute zu ersetzen. Natürlich konnte der Glasperlenspielmeister die Menge von Kleinarbeit, deren es dabei bedurfte, nicht alle selber leisten; er nahm den Apparat und die Kräfte Waldzells und des Ordens für den Ehrengast in Anspruch, für eine gewisse Zeit gab er ihm sogar einen Meditationsmeister aus Hirsland, dem Sitz der Ordensleitung, zur ständigen Kontrolle seiner Übungen mit nach Hause. Plan und Leitung aber blieben in seiner Hand.
    Es war im achten Jahre seines Magisteramtes, daß er zum erstenmal den so oft wiederholten Einladungen seines Freundes folgte und ihn in seinem Haus in der Hauptstadt besuchte. Mit Erlaubnis der Ordensleitung, deren Vorsteher Alexander seinem Herzen
nahe stand, benutzte er einen Feiertag für diesen Besuch, von dem er sich viel versprach und den er doch seit einem Jahr immer wieder hinausgezögert hatte, teils weil er seines Freundes erst sicher sein wollte, teils wohl auch aus einer natürlichen Bangigkeit, es war ja sein erster Schritt in jene Welt hinüber, aus welcher sein Kamerad Plinio diese starre Traurigkeit mitgebracht und die für ihn soviele wichtige Geheimnisse hatte. Er fand das moderne Haus, das sein Freund gegen das alte Stadthaus der Designori eingetauscht hatte, von einer stattlichen, sehr klugen, zurückhaltenden Dame regiert, die Dame aber von ihrem hübschen, vorlauten und eher unartigen Söhnchen beherrscht, um dessen Person sich hier alles zu drehen schien und das von seiner Mutter die rechthaberisch präpotente, etwas demütigende Haltung gegen den Vater gelernt zu haben schien. Übrigens war man hier kühl und mißtrauisch gegen alles Kastalische, doch widerstanden Mutter und Sohn der Persönlichkeit des Magisters, dessen Amt für sie außerdem etwas von Geheimnis, Weihe und Legendenhaftigkeit hatte, nicht sehr lange. Immerhin ging es beim ersten Besuche äußerst steif und gezwungen zu. Knecht verhielt sich beobachtend, abwartend und schweigsam, die Dame empfing ihn mit kühler formeller Höflichkeit und innerer Ablehnung, so etwa wie einen feindlichen hohen Offizier in Einquartierung, der Sohn Tito war der am wenigsten Befan
gene, er mochte schon oft genug beobachtender, vielleicht amüsierter Zeuge und Nutznießer ähnlicher Situationen gewesen sein. Sein Vater schien den Herrn im Hause mehr zu spielen, als er es war. Zwischen ihm und der Frau herrschte ein Ton sanfter, behutsamer, etwas ängstlicher, wie auf Zehenspitzen gehender Höflichkeit, von der Frau weit leichter und natürlicher innegehalten als von ihrem Mann. Seinem Sohn gegenüber zeigte dieser eine Bemühung um Kameradschaftlichkeit, welche der Junge bald auszunützen, bald patzig zurückzuweisen gewohnt schien. Kurz, es war ein mühevolles, unschuldloses, von unterdrückten Trieben schwül geheiztes Beisammensein, voll von Furcht vor Störungen und Ausbrüchen, voll von Spannungen, und der Stil von Benehmen und Rede war, wie der Stil des ganzen Hauses, ein wenig allzu gepflegt und gewollt, als könne man den Schutzwall gegen etwaige Einbrüche und Überfälle gar nicht fest, nicht dicht und sicher genug aufbauen. Und noch eine Beobachtung Knechts, die er sich merkte: ein großer Teil der wiedergewonnenen Heiterkeit war aus Plinios Gesicht wieder geschwunden; er, der in Waldzell oder im Haus der Ordensleitung in Hirsland seine Schwere und Traurigkeit schon beinahe ganz verloren zu haben schien, stand hier in seinem eigenen Hause wieder ganz im Schatten und forderte Kritik sowohl wie Mitleid heraus. Das Haus war schön und zeugte von Reichtum und
Verwöhntheit, jeder Raum war seinen Dimensionen gemäß eingerichtet, jeder zu einem angenehmen Zwei oder Dreiklang von Farben gestimmt, da und dort ein Kunstwerk von Wert, mit Vergnügen ließ Knecht seine Blicke wandern; doch wollte alle diese Augenweide ihm am Ende um einen Grad allzu schön erscheinen, allzu vollkommen und wohlbedacht, ohne Werden, ohne Geschehen, ohne Erneuerung, und er spürte, daß auch diese Schönheit der Räume und Gegenstände den Sinn einer Beschwörung, einer schutzsuchenden Gebärde habe, und daß diese

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