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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Zimmer, Bilder, Vasen und Blumen ein Leben umschlossen und begleiteten, das sich nach Harmonie und Schönheit sehnte, ohne sie anders erreichen zu können als eben in der Pflege solch abgestimmter Umgebung.
    In der Zeit nach diesem Besuch mit seinen zum Teil unerquicklichen Eindrücken war es, daß Knecht seinem Freunde einen Meditationslehrer mit nach Hause gab. Seit er einen Tag in der so merkwürdig gepreßten und geladenen Atmosphäre dieses Hauses zugebracht hatte, war ihm manches Wissen zugekommen, dessen er gar nicht begehrt, aber auch manches, das ihm gefehlt und nach dem er des Freundes wegen gesucht hatte. Und es blieb nicht bei diesem ersten Besuch, er wurde mehrmals wiederholt und führte zu Gesprächen über Erziehung und über den jungen Tito, an welchen auch dessen Mutter lebhaften Anteil nahm. Der Magister gewann
allmählich Vertrauen und Sympathie dieser klugen und mißtrauischen Frau. Als er einst, halb im Scherz, sagte, es sei doch schade, daß ihr Söhnchen nicht rechtzeitig zur Erziehung nach Kastalien geschickt worden sei, nahm sie die Bemerkung ernst wie einen Vorwurf und verteidigte sich: es wäre doch höchst zweifelhaft gewesen, ob Tito wirklich dort hätte Aufnahme finden können, er sei ja zwar begabt genug, aber schwierig zu behandeln, und gegen den eigenen Willen des Knaben so in sein Leben einzugreifen, würde sie sich niemals erlaubt haben, sei doch eben dieser selbe Versuch einst bei seinem Vater keineswegs geglückt. Auch hätten sie und ihr Mann nicht daran gedacht, ein Vorrecht der alten Familie Designori für ihren Sohn in Anspruch zu nehmen, da sie doch mit dem Vater Plinios und der ganzen Tradition des alten Hauses gebrochen hätten. Und ganz zuletzt fügte sie, schmerzlich lächelnd, hinzu, überdies hätte sie auch unter ganz anderen Umständen sich nicht von ihrem Kinde trennen können, denn außer ihm habe sie ja nichts, was ihr das Leben lebenswert mache. Über diese mehr unwillkürliche als überlegte Bemerkung mußte Knecht viel nachdenken. Also ihr schönes Haus, in dem alles so vornehm, prächtig und wohlabgestimmt war, und ihr Mann und ihre Politik und Partei, das Erbe ihres einst von ihr angebeteten Vaters, waren alle nicht genügend, ihrem Leben Sinn und Wert zu geben, das
vermochte nur ihr Kind. Und lieber ließ sie dies Kind unter so schlechten und schädigenden Bedingungen aufwachsen, wie sie hier im Hause und in ihrer Ehe bestanden, als daß sie sich zu seinem Heil von ihm getrennt hätte. Für eine so kluge, anscheinend so kühle, so intellektuelle Frau war dies ein erstaunliches Bekenntnis. Knecht konnte ihr nicht in so unmittelbarer Weise helfen wie ihrem Manne, dachte auch gar nicht daran, es zu versuchen. Aber durch seine seltenen Besuche und dadurch, daß Plinio unter seinem Einfluß stand, kam doch ein Maß und eine Mahnung in die verbogenen und verschrobenen Familienzustände. Für den Magister aber, während er von Mal zu Mal im Hause Designori an Einfluß und Autorität gewann, wurde das Leben dieser Weltleute immer reicher an Rätseln, je besser er es kennenlernte. Doch wissen wir über seine Besuche in der Hauptstadt und das, was er dort sah und erlebte, recht wenig und begnügen uns mit dem hier Angedeuteten.
    Dem Vorsteher der Ordensleitung in Hirsland war Knecht bisher nicht nähergetreten, als die amtlichen Funktionen es erforderten. Er sah ihn wohl nur bei denjenigen Vollsitzungen der Erziehungsbehörde, die in Hirsland stattfanden, und auch da nahm der Vorsteher meistens nur die mehr formelhaften und dekorativen Amtshandlungen vor, den Empfang und die Verabschiedung der Kollegen, während die Haupt
arbeit der Sitzungsleitung dem Sprecher zufiel. Der bisherige Vorsteher, zur Zeit von Knechts Amtsantritt schon ein Mann in ehrwürdigem Alter, wurde vom Magister Ludi zwar sehr verehrt, gab ihm aber niemals Anlaß, die Distanz zu verringern, er war für ihn schon nahezu kein Mensch, keine Person mehr, sondern schwebte, ein Hoherpriester, ein Symbol der Würde und Sammlung, als schweigsame Spitze und Bekrönung über dem Bau der Behörde und der ganzen Hierarchie. Dieser ehrwürdige Mann war gestorben, und an seine Stelle hatte der Orden den neuen Vorsteher Alexander gewählt. Alexander war eben jener Meditationsmeister, den die Ordensleitung vor Jahren unserem Josef Knecht für die erste Zeit seiner Amtsführung beigegeben hatte, und seit damals hatte der Magister diesen vorbildlichen Ordensmann bewundert und dankbar geliebt, aber auch dieser hatte

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