Das Glasperlenspiel
kommt weiter, wenn man sich daran hält, als wenn man es erst nach hundert Mißerfolgen einsieht. Der Philosoph Kant - man kennt ihn wenig mehr, aber er war ein Kopf von Rang - hat vom theologischen
Philosophieren gesagt, es sei›eine Zauberlaterne von Hirngespinsten‹. Dazu dürfen wir unser Glas- perlenspiel nicht machen.«
Josef war überrascht, und diese letzte Mahnung überhörte er beinahe vor verhaltener Erregung. Blitzschnell durchfuhr es ihn: die Worte bedeuteten das Ende seiner Freiheit, den Abschluß seiner Studienzeit, die Aufnahme in den Orden und seine baldige Einreihung in die Hierarchie.
Er dankte mit tiefer Verneigung und ging alsbald zur Waldzeller Ordenskanzlei, wo er sich in der Tat schon in die Liste der neu Aufzunehmenden eingetragen fand.
Er kannte, wie alle Studenten seiner Stufe, die Ordensregeln schon ziemlich genau und erinnerte sich der Bestimmung, daß jedes Ordensmitglied, das eine amtliche Stellung des höhern Ranges innehatte, zur Vollziehung der Aufnahme befugt war. So sprach er die Bitte aus, vom Musikmeister die Zeremonie vollziehen zu lassen, bekam einen Ausweis und kurzen Urlaub und reiste am nächsten Tage zu seinem Gönner und Freunde nach Monteport. Er fand den ehrwürdigen alten Herrn etwas leidend, wurde jedoch mit Freude willkommen geheißen.
»Du kommst wie gerufen«, sagte der Alte. »In Bälde hätte ich die Befugnis nicht mehr besessen, dich als jungen Bruder in den Orden aufzunehmen. Ich bin im Begriff, mein Amt
niederzulegen, meine Entlassung ist schon bewilligt.«
Die Zeremonie selbst war einfach. Am folgenden Tage lud der Musikmeister, wie es die Statuten verlangten, zwei Ordensbrüder als Zeugen ein, vorher hatte Knecht einen Satz der
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Ordensregel als Aufgabe für eine Meditationsübung bekommen.
Es war der Satz: »Beruft dich die hohe Behörde in ein Amt, so wisse: jeder Aufstieg in der Stufe der Ämter is t nicht ein Schritt in die Freiheit, sondern in die Bindung. Je höher das Amt, desto tiefer die Bindung. Je größer die Amtsgewalt, desto strenger der Dienst. Je stärker die Persönlichkeit, desto verpönter die Willkür.« Nun versammelte man sich in der Musik zelle des Magisters, derselben, in welcher Knecht einst seine erste Einführung in die Kunst des Meditierens erfahren hatte; der Meister forderte den Initianten auf, zur Feier der Stunde ein Choralvorspiel von Bach zu spielen, darauf las einer der Zeugen die gekürzte Fassung der Ordensregel vor, und der Musikmeister selbst stellte die rituellen Fragen und nahm dem jungen Freunde die Gelübde ab. Er schenkte ihm noch eine Stunde, sie saßen im Garten, und der Meister gab ihm freundliche Weisungen, in welchem Sinne er die Ordensregel sich zu eigen machen und nach ihr leben solle. »Es ist schön«, sagte er, »daß du in dem Augenblick, wo ich abtrete, in die Lücke trittst, es ist, als hätte ich einen Sohn, der künftig statt meiner seinen Mann stellen wird.« Und als er Josefs Gesicht traurig werden sah: »Nun, sei nicht betrübt, auch ich bin es nicht. Ich bin recht müde und freue mich auf die Muße, die ich noch genießen will und an deren Genuß du recht oft teilhaben wirst, so hoffe ich. Und wenn wir uns das nächste Mal wiedersehen, dann nenne mich du.
Ich konnte dir das nicht anbieten, solange ich im Amt war.«
Er entließ ihn mit dem herzgewinnenden Lächeln, das Josef nun schon seit zwanzig Jahren kannte.
Knecht kehrte rasch nach Waldzell zurück, er hatte nur drei Tage Urlaub von dort erhalten. Kaum war er zurück, so wurde er zum Magister Ludi gerufen, der ihn mit einer kollegialen Munterkeit empfing und zur Aufnahme in den Orden
beglückwünschte. »Um uns vollends zu Kollegen und
Arbeitskameraden zu machen«, fuhr er fort, »fehlt nur noch deine Einreihung an einen bestimmten Platz in unsrem Bau.«
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Josef erschrak ein wenig. Nun also sollte er seine Freiheit verlieren. »Ach«, sagte er schüchtern, »ich hoffe, man werde mich an irgendeinem bescheidenen Platz brauchen können.
Doch hatte ich, um es Euch zu gestehen, allerdings gehofft, noch eine Weile frei studieren zu können.« Der Magister blickte ihm mit seinem klugen, leicht ironischen Lächeln fest in die Augen.
»Eine Weile, sagst du, aber wie lang ist das?« Knecht lachte verlegen. »Ich weiß es wirklich nicht.« - »Das dachte ich mir«, stimmte der Meister zu, »du sprichst noch die Studentensprache und denkst noch in Studentenbegriffen, Josef Knecht, und das ist in Ordnung, aber es wird schon
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