Das Glasperlenspiel
das Amt ein Unglück.
Sein Mangel äußert sich körperlich in Depressionszuständen, Perioden der Schlaflosigkeit und nervöser Schmerzen, seelisch zeitweise in Melancholie, heftigem Einsamkeits- bedürfnis, Angst vor Pflicht und Verantwortung, vermutlich auch in Gedanken an Selbstmord. Der so schwer Gefährdete hält sich mit Hilfe der Meditation und einer großen Selbstzucht so tapfer aufrecht, daß die meisten in seiner Umgebung keine Ahnung von der Schwere seines Leidens haben und lediglich seine große Schüchternheit und Verschlossenheit zur Kenntnis nehmen. Ist T. also leider zur Führung höherer Ämter nicht geeignet, so ist
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er im Vicus Lusorum dennoch ein Kleinod, ein ganz
unersetzlicher Schatz. Die Technik unsres Spieles beherrsdit er so wie ein großer Musikant sein Instrument, er trifft blindlings die zarteste Nuance und ist auch als Lehrer nicht zu verachten.
In den höhern und höchsten Wiederholungskursen - für die untern ist er mir zu schade - wüßte ich mich ohne ihn kaum mehr zu Behelfen; wie er die Probespiele der Jünglinge analysiert, ohne sie je zu entmutigen, wie er ihnen hinter die Schliche kommt, alles Nachgeahmte oder nur Dekorative unfehlbar erkennt und bloßlegt, wie er in einem gut fundierten, aber noch unsichern und verkomponierten Spiel die
Fehlerquellen findet und aufzeigt wie tadellose anatomische Präparate, ist etwas ganz Einziges. Dieser unbestechliche und scharfe Blick beim Analysieren und Korrigieren ist es vor allem, der ihm die Achtung der Schüler und Kollegen sichert, welche sonst durch sein unsicheres und ungleiches, schüchternscheues Auftreten stark in Frage gestellt wäre.
Was ich über die Genialität des T. als Glasperlenspieler sagte, die ganz ohne ihresgleichen ist, möchte ich durch ein Beispiel illustrieren. In der ersten Zeit meiner Freundschaft mit ihm, als wir beide in den Kursen schon nicht mehr viel an Technik zu lernen fanden, gab er mir einmal in einer Stunde besonderen Vertrauens Einblick in einige Spiele, die er damals komponiert hatte. Ich fand sie auf den ersten Blick glänze nd erfunden und irgendwie neuartig und originell im Stil, bat mir die aufgezeichneten Schemata zum Studium aus und fand in diesen Spielkompositionen, richtigen Dichtungen, etwas so
Erstaunliches und Eigenartiges, daß ich es hier nicht glaube verschweigen zu dürfen. Diese Spiele waren kleine Dramen von beinahe rein monologischer Struktur und spiegelten das individuelle, ebenso gefährdete wie geniale Geistesleben ihres Autors wider wie ein vollkommenes Selbstbildnis.
Es wurde nicht nur zwischen den verschiedenen Themen und Themengruppen, auf denen das Spiel ruhte und deren Folge und
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Gegenüberstellung sehr geistreich war, dialektisch konzertiert und gestritten, sondern es wurde auch die Synthese und Harmonisierung der gegensätzlichen Stimmen nicht in der üblichen, der klassischen Weise aufs Letzte gebracht, vielmehr erlitt diese Harmonisierung eine ganze Reihe von Brechungen und blieb jedesmal, wie ermüdet und verzweifelt, vor der Auflösung stehen und verklang in Frage und Zweifel. Es bekamen jene Spiele dadurch nicht nur eine aufregende und meines Wissens bisher nie gewagte Chromatik, sondern die ganzen Spiele wurden zum Ausdruck eines tragischen Zweifels und Verzichtes, sie wurden zur bildhaften Feststellung der Fragwürdigkeit jeder geistigen Bemühung.
Dabei waren sie in ihrer Geistigkeit sowohl wie in ihrer spieltechnischen Kalligraphie und Vollendung so
außergewöhnlich schön, daß man darüber hätte weinen können.
Jedes dieser Spiele strebte so innig und ernsthaft zur Lösung und verzichtete auf die Lösung schließlich mit so edler Entsagung, daß es wie eine vollkommene Elegie auf die allem Schönen inwohnende Vergänglichkeit und die allen hohen Geisteszielen letztlich inwohnende Fragwürdigkeit war. - Item, Tegularius sei, falls er mich oder meine Amtsdauer überlebt, als ein äußerst zartes, kostbares, aber gefährdetes Gut empfohlen. Er soll sehr viel Freiheit genießen, sein Rat soll in allen Spielfragen von Wichtigkeit gehört werden. Doch sollen ihm Schüler nie zur alleinigen Leitung anvertraut werden.«
Dieser merkwü rdige Mann war im Lauf der Jahre wirklich Knechts Freund geworden. Er war gegen Knecht, in dem er außer dem Geist auch etwas wie eine Herrennatur bewunderte, von einer rührenden Ergebenheit, und vieles, was wir über Knecht wissen, ist durch ihn überliefert.
Er war vielleicht im engsten Kreis der
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