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Das Glück der Familie Rougon - 1

Das Glück der Familie Rougon - 1

Titel: Das Glück der Familie Rougon - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Verzückung hatte, sprang manchmal plötzlich auf und schlug vor, eine der kleinen Inseln aufzusuchen, die das seichte Wasser mitten im Fluß unbedeckt ließ. Alle beide wagten sich mit nackten Füßen hinaus. Die Steine machten Miette nichts aus. Sie wollte nicht von Silvère gestützt werden, und so geschah es einmal, daß sie sich mitten in den Fluß setzte; doch das Wasser war kaum zwanzig Zentimeter tief, und der ganze Schaden bestand darin, daß sie ihren obersten Rock trocknen lassen mußte. Wenn sie dann auf der Insel angelangt waren, legten sie sich bäuchlings auf eine Sandzunge, so daß ihre Augen fast in gleicher Höhe mit dem Wasserspiegel waren, dessen Silberschuppen sie fern in der hellen Nacht zittern sahen. Dann erklärte Miette, sie fahre jetzt in einem Boot, die Insel habe sich ganz bestimmt in Bewegung gesetzt, sie fühle genau, wie sie davongetragen würden. Dieses Schwindelgefühl, hervorgerufen von all dem Gefunkel, von dem ihnen die Augen übergingen, machte ihnen eine Weile Spaß und ließ sie am Ufer verweilen, wobei sie halblaut vor sich hin sangen wie die Schiffer, die ihre Ruder ins Wasser tauchen. Hatte aber ein andermal die Insel ein etwas erhöhtes Ufer, so setzten sie sich darauf wie auf eine Rasenbank und ließen die bloßen Füße in die Strömung hängen. Und sie plauderten stundenlang, schlugen mit den Fersen aufs Wasser, daß es hoch aufspritzte, baumelten mit den Beinen und vergnügten sich damit, wahre Stürme im friedlichen Flußbett hervorzurufen, das mit seiner Frische ihr Fieber beruhigte.
    Diese Fußbäder ließen Miettes Köpfchen auf einen Einfall kommen, der beinahe die schöne Unschuld ihrer Liebe zerstört hätte. Sie wollte durchaus baden. Sie sagte, es gäbe etwas oberhalb der Viornebrücke eine dazu sehr geeignete Stelle, kaum drei bis vier Fuß tief und durchaus ungefährlich. Es sei so heiß, es müsse so wohltuend sein, bis an die Schultern ins Wasser zu tauchen; außerdem wolle sie schon so lange brennend gern schwimmen lernen, Silvère müsse es ihr beibringen. Silvère erhob Einwendungen: in der Nacht sei das nicht ratsam, sie könnten gesehen werden, das würde ihnen vielleicht schaden. Aber den wahren Grund verschwieg er; er war rein gefühlsmäßig sehr beunruhigt bei dem Gedanken an das neue Spiel. Er fragte sich, wie sie sich ausziehen würden und wie er es anfangen sollte, Miette mit seinen nackten Armen über Wasser zu halten. Sie schien von diesen Schwierigkeiten nichts zu ahnen.
    Eines Abends brachte sie einen Badeanzug mit, den sie sich aus einem alten Kleid geschneidert hatte. Silvère mußte zu Tante Dide zurück, um sich eine Badehose zu holen. Das Vergnügen verlief ganz kindlich. Miette ging nicht einmal beiseite; sie zog sich ganz selbstverständlich aus im Schutz einer Weide, die so dicht war, daß ihr Kinderkörper nur für Augenblicke als weißer Schimmer erschien. Silvère glich mit seiner braunen Haut bei Nacht dem dunklen Stamm einer jungen Eiche, während die nackten runden Beine und Arme des jungen Mädchens wie die milchweißen Birkenstämmchen am Ufer aussahen. Dann gingen sie beide, gleichsam mit den dunklen Flecken bekleidet, die das Laubwerk hoher Bäume auf sie herabfallen ließ, fröhlich ins Wasser, riefen einander zu und schrien, überrascht von der Kühle, laut auf. Und alle Bedenken, alle uneingestandene Scheu, alle geheime Scham waren vergessen. Über eine Stunde blieben sie dort, wateten herum, spritzten sich gegenseitig ins Gesicht. Miette wurde ärgerlich, brach dann in Lachen aus, und Silvère gab ihr die erste Schwimmstunde, wobei er sie von Zeit zu Zeit mit dem Kopf unter Wasser tauchte, um sie abzuhärten. Solange er sie mit der einen Hand am Gürtel ihres Badeanzuges hielt und mit der anderen unter ihrem Leib hindurchgriff, strampelte sie wie besessen mit Armen und Beinen und glaubte zu schwimmen; sobald er sie aber losließ, fing sie schreiend an zu zappeln, schlug mit gespreizten Fingern aufs Wasser und klammerte sich an, wo sie nur konnte, an den Hüften des jungen Burschen oder an eines seiner Handgelenke. Außer Atem lehnte sie sich nachher einen Augenblick an ihn, um auszuruhen, während das Wasser an ihr herunterlief und ihr nasser Badeanzug die Anmut ihrer noch unentwickelten Brust abzeichnete. Dann rief sie: »Noch einmal! Aber du läßt mich ja absichtlich los!«
    Und kein peinliches Gefühl kam in ihnen auf bei diesen Umarmungen, dabei, wenn sich Silvère herabbeugte, um sie zu halten, bei diesen

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