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Das Glück der Familie Rougon - 1

Das Glück der Familie Rougon - 1

Titel: Das Glück der Familie Rougon - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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von Plassans ihren vorsichtigen Marsch durch die Dunkelheit wieder auf, immer in der gleichen Haltung aufgescheuchter Helden. So kamen sie zum Rathausplatz. Dort scharten sie sich um Rougon und hielten abermals Rat. Ihnen gegenüber war an der schwarzen Fassade der Bürgermeisterei ein einziges Fenster erleuchtet. Es war kurz vor sieben Uhr, der Tag mußte bald anbrechen.
    Nach guten zehn Minuten Beratung wurde beschlossen, bis an die Tür vorzurücken, um zu sehen, was dieses Dunkel und diese beunruhigende Stille bedeuteten. Die Tür war nur Angelehnt. Einer der Verschwörer steckte den Kopf hindurch, zog ihn schnell wieder zurück und meldete, unter der Torwölbung sitze ein Mann, den Rücken gegen die Mauer gelehnt, ein Gewehr zwischen den Beinen, und schlafe. Rougon, der begriff, daß er sich jetzt mit einer Heldentat einführen könne, trat als erster ein, packte den Mann und hielt ihn fest, während ihn Roudier knebelte. Dieser erste, in aller Stille errungene Erfolg ermutigte die kleine Schar, die eine mörderische Schießerei erwartet hatte, ganz ungemein. Rougon winkte gebieterisch, damit sich die Freude seiner Krieger nicht allzu geräuschvoll Luft machte.
    Auf Zehenspitzen drangen sie weiter vor. Dann sahen sie in der links gelegenen Polizeiwache etwa fünfzehn Mann, die auf Feldbetten lagen und bei dem verlöschenden Licht einer an der Wand hängenden Laterne schnarchten. Rougon, der sich entschieden zu einem großen Feldherrn entwickelte, ließ die Hälfte seiner Leute vor der Wache zurück mit dem Befehl, die Schläfer nicht zu wecken, sie aber in Schach zu halten und gefangenzunehmen, falls sie sich rühren sollten. Was ihn beunruhigte, war das hellerleuchtete Fenster, das sie vom Platz aus gesehen hatten; er witterte noch immer, daß Macquart hinter der ganzen Sache stecke, und da er spürte, man müsse sich zunächst derer bemächtigen, die da oben wachten, wollte er sie gern überrumpeln, ehe der Lärm eines Kampfes sie dazu veranlaßte, sich zu verbarrikadieren. Leise stieg er hinauf, gefolgt von den zwanzig Helden, über die er noch verfügte. Roudier befehligte die im Hof verbliebene Abteilung.
    Tatsächlich machte sich Macquart im Amtszimmer des Bürgermeisters breit, saß in dessen Sessel und stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch. Nach dem Abzug der Aufständischen hatte er sich mit der schönen Zuversicht eines Menschen von grobem Verstand, völlig besessen von seiner fixen Idee und seinem Siegestraum, gesagt, er sei jetzt Herr über Plassans und werde sich nun als Triumphator aufführen. In seinen Augen stellten die dreitausend Aufständischen, die eben durch die Stadt gezogen waren, eine unüberwindliche Armee dar, deren Nähe genügte, um seine Bürger demütig und gefügig in der Hand zu behalten. Die Aufständischen hatten die Gendarmen in ihrer Unterkunft eingesperrt, die Nationalgarde befand sich in Auflösung, das Adelsviertel verging wahrscheinlich vor Angst, die Rentiers der Neustadt hatten sicher in ihrem ganzen Leben keine Flinte angerührt. Außerdem besaßen sie weder Waffen noch Soldaten. Macquart übte nicht einmal die Vorsicht, die Türen des Gebäudes schließen zu lassen, und während seine Leute die Sorglosigkeit noch weiter trieben und sich sogar schlafen legten, wartete er selber ruhig den Anbruch des Tages ab, der, so meinte er, alle Republikaner der Gegend herbeiführen und um ihn scharen würde.
    Schon dachte er über große umwälzende Maßnahmen nach: die Ernennung eines revolutionären Magistrats, dessen Oberhaupt er sein würde, die Einkerkerung der schlechten Patrioten und besonders all der Leute, die ihm persönlich mißfielen. Der Gedanke an die besiegten Rougons, an den verödeten gelben Salon, an diese ganze Clique, die ihn um Gnade anflehen würde, bereitete ihm eine süße Freude. Um mit größerer Geduld warten zu können, hatte er beschlossen, einen Aufruf an die Einwohner von Plassans zu richten. Zu viert hatten sie sich hingesetzt, um diesen Aufruf zu verfassen. Als sie damit fertig waren, nahm Macquart im Sessel des Bürgermeisters eine würdige Haltung ein und ließ sich den Aufruf vorlesen, ehe er ihn in die Druckerei des »Indépendant« schickte, auf dessen guten Bürgersinn er zählte. Einer der Verfasser begann gerade in feierlichem Ton:
    »Einwohner von Plassans! Die Stunde der Unabhängigkeit hat geschlagen, die Herrschaft der Gerechtigkeit ist gekommen …«, als ein Geräusch an der Tür vernehmbar wurde und diese sich langsam

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