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Das Glück der Familie Rougon - 1

Das Glück der Familie Rougon - 1

Titel: Das Glück der Familie Rougon - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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hat er nachgegeben. Um Steuerdirektor zu sein, braucht man weder Latein noch Griechisch zu können; ich werde, genau wie Herr Peirotte, einen Bevollmächtigten haben, der die ganze Arbeit macht.«
    Félicité lauschte ihm mit Entzücken.
    »Ich habe mir schon denken können«, fuhr er fort, »was unseren lieben Sohn beunruhigte. Wir sind hier wenig beliebt. Man weiß, daß wir kein Vermögen besitzen, und die Leute werden ein großes Geschrei machen. Aber das ist einerlei; in Krisenzeiten ist alles möglich. Eugène wollte mich in einer andern Stadt ernennen lassen. Das habe ich abgelehnt, ich will in Plassans bleiben.«
    »Ja, ja, wir müssen hierbleiben«, stimmte die alte Frau lebhaft zu. »Hier haben wir gelitten, hier müssen wir auch triumphieren. Oh, ich werde sie schon kleinkriegen, all diese feinen Spaziergängerinnen von der Avenue du Mail, die voll Verachtung meine Wollkleider mustern! – An die Stelle des Steuerdirektors habe ich nicht gedacht; ich glaubte, du wolltest Bürgermeister werden.«
    »Bürgermeister? Na hör mal! – Der Posten ist ja ehrenamtlich! – Auch Eugène sprach mir vom Bürgermeisteramt. Ich habe ihm geantwortet: ›Ich nehme an, wenn du mir fünfzehntausend Francs Jahreszinsen verschaffst.‹«
    Diese Unterhaltung, bei der Riesensummen wie Raketen in die Höhe stiegen, begeisterte Félicité. Sie zappelte hin und her; sie empfand so etwas wie ein inneres Jucken. Endlich nahm sie eine andächtige Haltung ein, riß sich zusammen und sagte:
    »Warte, laß uns mal rechnen. Wieviel wirst du verdienen?«
    »Nun«, meinte Pierre, »die festen Bezüge belaufen sich, glaube ich, auf dreitausend Francs.«
    »Dreitausend«, begann Félicité zu zählen.
    »Dann gibt es soundso viel Prozent auf die Steuereingänge, was in Plassans eine Summe von zwölftausend Francs abwerfen kann.«
    »Das macht fünfzehntausend.«
    »Ja, ungefähr fünfzehntausend Francs. Soviel verdient Peirotte. Das ist aber nicht alles. Peirotte macht Wechselgeschäfte auf eigene Rechnung. Das ist gestattet. Vielleicht riskiere ich das auch, sobald ich eine günstige Gelegenheit für gekommen erachte.«
    »Also sagen wir zwanzigtausend … Zwanzigtausend Francs Einkommen!« wiederholte Félicité, völlig benommen von dieser Zahl.
    »Wir werden die Vorschüsse zurückzahlen müssen«, bemerkte Pierre.
    »Das macht nichts«, versetzte Félicité, »wir werden dennoch reicher sein als viele dieser Herren … Wirst du den Kuchen mit dem Marquis und den anderen teilen müssen?«
    »Nein, nein, alles wird für uns allein sein.« Als sie nun weiter in ihn drang? glaubte Pierre, sie wolle ihm sein Geheimnis entreißen. Er zog die Brauen zusammen. »Genug geschwatzt!« schloß er unvermittelt ab. »Es ist spät, laß uns schlafen. Es wird uns Unglück bringen, wenn wir schon im voraus rechnen. Ich habe die Stelle noch nicht. Sei vor allem verschwiegen.«
    Die Lampe erlosch, aber Félicité konnte nicht einschlafen. Mit geschlossenen Augen baute sie wunderbare Luftschlösser. Die zwanzigtausend Francs Jahreseinkommen tanzten in der Dunkelheit vor ihr einen wahren Teufelsreigen. Sie bewohnte eine schöne Wohnung in der Neustadt, trieb den gleichen Luxus wie Herr Peirotte, gab Abendgesellschaften und ärgerte mit ihrem Reichtum die ganze Stadt. Was ihrer Eitelkeit am meisten schmeichelte, war die schöne Stellung, die ihr Mann dann bekleiden würde. Er würde Leuten wie Granoux und Roudier ihre Zinsen auszahlen, all den Bürgern, die heute zu ihr kamen, wie man in ein Café geht, um laut zu reden und die Tagesneuigkeiten zu erfahren. Sie hatte sehr genau gemerkt, in welch ungezwungener Art diese Menschen ihren Salon betraten, und sie hatte es ihnen im stillen verübelt. Selbst der Marquis mit seiner ironischen Höflichkeit fing an, ihr zu mißfallen. Allein zu triumphieren, den ganzen Kuchen, wie sie sich ausdrückte, für sich zu behalten, war somit eine Rachevorstellung, der sie liebevoll nachhing. Später einmal, wenn sich diese unhöflichen Herren mit dem Hut in der Hand bei Herrn Steuerdirektor Rougon einfänden, würde sie sie ihrerseits demütigen. Die ganze Nacht über wälzte sie diese Gedanken. Als sie am folgenden Morgen die Jalousien hochzog, galt ihr erster Blick unwillkürlich der anderen Straßenseite, den Fenstern des Herrn Peirotte; sie lächelte, als sie die breiten Damastvorhänge betrachtete, die hinter den Scheiben herabhingen.
    Félicités Hoffnungen hatten die Richtung gewechselt, waren aber nur noch

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