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Das Glück der Familie Rougon - 1

Das Glück der Familie Rougon - 1

Titel: Das Glück der Familie Rougon - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Pierre, von jenem Dünkel der Ehemänner besessen, der dem Mann den Glauben an seine Überlegenheit in der ehelichen Gemeinschaft verleiht, hatte schließlich seiner Frau die Schuld an allem vorangegangenen Mißgeschick zugeschoben. Seit er sich einbildete, ganz allein die gemeinsamen Angelegenheiten zu ordnen, schien ihm alles nach Wunsch zu gehen. Deshalb hatte er beschlossen, gänzlich auf den Rat seiner Frau zu verzichten und ihr nichts anzuvertrauen, obwohl der Sohn es ihm anempfohlen hatte.
    Félicité war so tief gekränkt, daß sie ihm am liebsten Steine in den Weg geworfen hätte, wäre ihr Wunsch nach Erfolg nicht ebenso brennend gewesen wie der Pierres. Sie arbeitete weiter eifrig auf das Gelingen ihrer Pläne hin, sann aber dabei auf irgendeine Rache.
    Ach, würde er es doch einmal gründlich mit der Angst bekommen! dachte sie. Beginge er doch eine Riesendummheit! Dann würde er mich demütig um Rat bitten kommen, und ich würde ihm Vorschriften machen.
    Vor allem beunruhigte sie die selbstherrliche Haltung, die Pierre unfehlbar annehmen würde, wenn er ohne ihre Hilfe triumphierte. Als sie dereinst diesen Bauernsohn geheiratet, ihm den Vorzug vor irgendeinem Notariatsschreiber gegeben hatte, war ihre Absicht gewesen, sich seiner zu bedienen wie eines robusten Hampelmannes, den sie am Schnürchen ziehen konnte, wie es ihr paßte. Und nun, am Tage der Entscheidung, wollte dieser Hampelmann in seiner blinden Schwerfälligkeit allein gehen! Die ganze Schlauheit, die ganze fieberhafte Geschäftigkeit dieser kleinen Alten empörte sich. Sie wußte Pierre durchaus eines brutalen Entschlusses fähig, ähnlich jenem, den er gefaßt hatte, als er seine Mutter die Quittung über fünfzigtausend Francs unterschreiben hieß; er war ein gutes Werkzeug ohne falsche Bedenken, aber sie fühlte die Notwendigkeit, ihn nach ihrem Willen zu lenken, namentlich unter den gegenwärtigen Umständen, die sehr viel Wendigkeit verlangten.
    Die amtliche Nachricht vom Staatsstreich erreichte Plassans erst am Nachmittag des 3. Dezember, einem Donnerstag. Schon um sieben Uhr abends war die Gesellschaft vollzählig im gelben Salon versammelt. Obgleich man die Krise lebhaft herbeigesehnt hatte, malte sich doch auf fast allen Gesichtern eine unbestimmte Besorgnis. Man beredete die Ereignisse mit endlosem Geschwätz. Pierre, wie die übrigen etwas blaß geworden, glaubte in einem Übermaß von Vorsicht, die entscheidenden Handlungen des Prinzen Louis vor den anwesenden Legitimisten und Orléanisten entschuldigen zu müssen.
    »Man spricht von einem Aufruf an das Volk«, sagte er. »Es wird dem Volk freistehen, die Regierung zu wählen, die ihm genehm ist … Der Präsident ist der Mann danach, vor unsern angestammten Herrschern zurückzutreten.«
    Nur der Marquis, der die ganze Kaltblütigkeit des Edelmanns bewahrte, nahm diese Worte mit einem Lächeln auf. Die übrigen waren so erfüllt vom Fieber der gegenwärtigen Stunde, daß ihnen alles, was später geschehen würde, völlig gleichgültig war! Alle Einzelmeinungen verschwanden. Roudier vergaß seine zärtliche Liebe eines einstigen Hoflieferanten für die Orléans und unterbrach Pierre unbeherrscht. Alle schrien durcheinander: »Reden wir nicht lange! Denken wir daran, die Ordnung aufrechtzuerhalten!«
    Die guten Leute hatten entsetzliche Angst vor den Republikanern.
    Indessen hatte die Stadt bei der Verkündung der Pariser Ereignisse nur eine ganz leichte Erregung gezeigt. Man war in Gruppen vor den Bekanntmachungen, die am Tor der Unterpräfektur angeschlagen waren, stehengeblieben; außerdem verbreitete sich das Gerücht, ein paar hundert Arbeiter hätten ihre Arbeit im Stich gelassen und versuchten Widerstand zu organisieren. Das war alles. Es schienen keine ernsthaften Unruhen auszubrechen. Die Haltung der benachbarten Städte und Dörfer war sehr viel besorgniserregender, aber man wußte noch nicht, wie der Staatsstreich dort aufgenommen worden war.
    Gegen neun Uhr erschien Granoux, ganz außer Atem; er kam aus einer dringlich einberufenen Sitzung des Stadtrats. Mit vor Erregung erstickter Stimme teilte er mit, daß sich der Bürgermeister, Herr Garçonnet, wenn auch mit gewissen Vorbehalten, entschlossen gezeigt habe, die Ordnung mit den wirksamsten Mitteln aufrechtzuerhalten. Doch die Nachricht, die das größte Geschrei im gelben Salon hervorrief, war die vom Rücktritt des Unterpräfekten. Dieser Beamte hatte sich rundweg geweigert, den Einwohnern von Plassans die Depeschen

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