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Das Glück der Familie Rougon - 1

Das Glück der Familie Rougon - 1

Titel: Das Glück der Familie Rougon - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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scheint ihm gesichert.«
    »O ja, ihr könnt mutig vorangehen«, antwortete der Marquis, während er die ersten Stufen hinabstieg. »In zwei oder drei Tagen wird das Land völlig geknebelt sein. Auf morgen, Kleine.«
    Félicité machte die Tür wieder zu. Aristide war in seinem dunklen Winkel eine Erleuchtung gekommen. Ohne abzuwarten, bis der Marquis die Straße erreichte, sprang er, vier Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinab und stürzte wie ein Irrer hinaus; dann rannte er in die Druckerei des »Indépendant«. Eine Flut von Gedanken wogte in seinem Gehirn. Er war außer sich vor Wut und beschuldigte seine Familie, ihn zum Narren gehalten zu haben. Wie? Eugène hielt seine Eltern auf dem laufenden über die Lage, und dabei hatte seine Mutter ihn niemals die Briefe seines älteren Bruders lesen lassen, dessen Ratschläge er blindlings befolgt haben würde! Und erst in dieser Stunde erfuhr er durch einen Zufall, daß dieser ältere Brüder den Erfolg des Staatsstreichs für gewiß ansah! Das bestätigten ihm übrigens gewisse Ahnungen, denen zu folgen dieser Esel von Unterpräfekt ihn gehindert hatte. Besonders gegen seinen Vater war er erbost, den er für dumm genug gehalten hatte, Legitimist zu sein, der sich aber im entscheidenden Augenblick als Bonapartist entpuppte.
    »Wie viele Torheiten haben sie mich begehen lassen«, murmelte er, während er weiterlief. »Jetzt stehe ich schön da! Ach, was für eine Lehre! Granoux ist gescheiter als ich!«
    Er stürmte wie ein Wirbelwind in die Redaktion des »Indépendant« und verlangte mit heiserer Stimme seinen Artikel zurück. Der war bereits umbrochen. Aristide ließ den Schließrahmen lösen und beruhigte sich erst, nachdem er selbst den Satz unbrauchbar gemacht hatte, wobei er die Typen wütend durcheinandermischte wie Dominosteine. Der Buchhändler, der die Zeitung herausgab, sah ihm starr vor Staunen zu. Im Grunde freute er sich über den Zwischenfall, denn der Artikel war ihm gefährlich vorgekommen. Aber er brauchte unbedingt Ersatz dafür, wenn er den »Indépendant« erscheinen lassen wollte.
    »Sie werden mir doch etwas anderes dafür geben?« fragte er.
    »Gewiß«, erwiderte Aristide.
    Er setzte sich an einen Tisch und begann ein überschwengliches Loblied auf den Staatsstreich. Schon von der ersten Zeile an schwor er, daß Prinz Louis soeben die Republik gerettet habe. Aber er hatte noch keine Seite geschrieben, als er innehielt und die Fortsetzung zu überlegen schien. Sein Mardergesicht wurde unruhig.
    »Ich muß jetzt nach Hause«, sagte er schließlich. »Ich werde Ihnen das gleich schicken. Wenn es nicht anders geht, erscheint die Zeitung eben etwas später.«
    Auf dem Nachhauseweg ging er langsam, in Gedanken verloren. Von neuem packte ihn die Unentschiedenheit. Warum so schnell hinüberwechseln? Eugène war ein kluger Bursche, aber vielleicht hatte seine Mutter die Bedeutung einer einfachen Bemerkung in seinem Brief übertrieben. Jedenfalls war es besser, abzuwarten und zu schweigen.
    Eine Stunde darauf erschien Angèle in der Druckerei und tat sehr aufgeregt.
    »Mein Mann hat sich furchtbar verletzt«, sagte sie. »Er hat sich beim Nachhausekommen vier Finger in einer Tür eingeklemmt. Er hat mir unter den heftigsten Schmerzen diese kleine Notiz diktiert, die er Sie bittet, morgen zu veröffentlichen.«
    Der »Indépendant« brachte am folgenden Morgen fast ausschließlich gemischte Nachrichten. Am Kopf der ersten Spalte standen lediglich folgende wenige Zeilen:
    »Ein bedauerlicher Unfall, der unserm hervorragenden Mitarbeiter Herrn Aristide Rougon zugestoßen ist, beraubt uns für einige Zeit seiner Artikel. Das Schweigen wird ihm unter den jetzigen so ernsten Umständen schwerfallen. Aber keiner unserer Leser wird an der Aufrichtigkeit der Wünsche zweifeln, die seine Vaterlandsliebe für das Glück Frankreichs hegt.«
    Diese undurchsichtige Notiz war reiflich überlegt worden. Der Schlußsatz ließ sich zugunsten jeder Partei auslegen. Auf diese Weise konnte Aristide den Sieg abwarten und sich dann mit einem Loblied auf den Sieger eine stolze Rückkehr ermöglichen. Am kommenden Morgen zeigte er sich in der ganzen Stadt mit dem Arm in der Binde. Seine Mutter, durch die Zeitungsnotiz sehr beunruhigt, war sofort herbeigeeilt. Er weigerte sich, ihr seine Hand zu zeigen, und sprach mit solcher Verbitterung, daß die alte Frau begriff.
    »Das wird wohl nichts zu bedeuten haben«, sagte sie beim Weggehen beruhigt und mit leichtem Spott zu ihm.

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