Das Glück einer Sommernacht
wird?“
„Wenn es fertig ist.“
Tom lachte, ein bisschen zu laut für Kelseys Geschmack. Es klang alles etwas zu bemüht. „Tja, hoffentlich bald. Es ist lange her, seit Folge dem Mond. Heerscharen von Lesern haben sich schon gefragt, wo Sie abgeblieben sind.“
„Der kreative Prozess braucht eben seine Zeit“, warf Kelsey ein.
Sie spürte Alex’ Anspannung neben sich. Gerade hatte dieser Abend so wundervoll begonnen. Wie konnte sie nur verhindern, dass Tom ihn mit seinen übereifrigen Fragen verdarb?
Tom lächelte gnadenlos weiter. „Da haben Sie wohl recht.“ Er sah kurz zu ihr herüber. „Natürlich hilft es, wenn man die richtige Inspiration hat.“
Jetzt ging er eindeutig zu weit. Kelsey wartete darauf, dass Alex ihn zurechtweisen oder ihn mit einem seiner kalten Blicke abwimmeln würde. Zu ihrer Überraschung tat er keines von beidem.
Stattdessen wandte er sich ihr zu und ergriff ihre Hand.
„Absolut“, sagte er noch zu Tom im Umdrehen. „Und wenn Sie uns entschuldigen würden, Kelsey und ich möchten vor dem Konzert noch ein bisschen frische Luft schnappen.“
Er zog sie mit sich und bahnte ihnen einen Weg zur Tür. Nicht gewaltsam, aber so entschlossen, dass niemand mehr auf die Idee gekommen wäre, sie aufzuhalten.
„Das ist also Ihr ‚Freund‘“, bemerkte er, als sie draußen waren.
„Das ist Tom.“ Sie war immer noch überrascht über Toms merkwürdiges Verhalten. Was mochte dahinterstecken? Es hatte etwas Aggressives gehabt, das sie vorher nicht an ihm entdeckt hatte. Aber auch Alex benahm sich an diesem Abend ganz anders, als sie gedacht hätte.
„Es tut mir wirklich leid“, sagte sie. „Dass ich für Sie arbeite, hat er erst erfahren, als er Sie bei Farley im Laden gesehen hat. Ich habe es ihm nicht gesagt! Immerhin wissen Sie jetzt, dass mindestens ein Leser schon sehnlich auf Ihr Buch wartet.“
„Sie haben recht“, antwortete er.
„Dass er Ihr Buch lesen will?“, fragte sie verwirrt zurück.
„Nein.“ Er drückte ihre Hand, die er immer noch nicht losgelassen hatte. Dann beugte er sich zu ihr und flüsterte an ihrem Nacken: „Dass er nicht Ihr Typ ist.“
Kelsey hielt den Atem an, und ihr Herz hüpfte.
Auf den Rasenflächen um das Gebäude brannten statt der üblichen hellen Scheinwerfer nur unzählige Laternen. Sie hingen in den Bäumen und tauchten die Umgebung in ein romantisches, bernsteinfarbenes Licht. Es war ziemlich früh am Abend, in der Luft spürte man noch die Wärme des Tages. Keine Wolke hing am Himmel. Es würde eine wunderbare, sternenklare Sommernacht werden.
Schweigend spazierten sie über das Gras. Hin und wieder begegneten sie einem anderen Paar, das im Vorbeigehen grüßend nickte.
Einem anderen Paar. Kelsey wusste, dass das nicht der Wahrheit entsprach, aber mit jedem Schritt fiel es ihr schwerer, sich zur Ordnung zu rufen. Die Gedanken entglitten ihr und verloren sich in einem romantischen Nebel.
Sie sah verstohlen zu Alex. Dieser Konzertbesuch heute Abend war kein Date. Und sie waren kein Paar. Aber wäre es so schlimm, wenn sie insgeheim für sich wenigstens eine Weile so tat? Es brauchte ja niemand zu wissen. Sie atmete tief ein, genoss den Duft der Abendblumen und erlaubte sich, ein bisschen zu träumen.
„Möchten Sie die Aussicht sehen?“, fragte Alex irgendwann.
Sie waren am Rand des kleinen Parks angekommen, von dem aus man weit über den Fluss blicken konnte. Schwarz und unergründlich lag er vor ihnen, hin und wieder spiegelten sich die Laternen als weiße Reflexe an der Oberfläche.
Sie seufzte leise. „Dunkles Wasser hat so etwas Geheimnisvolles, nicht? Da gibt es so vieles, was man von außen nicht sieht. Man muss tief hineinschauen, um zu erkennen, was sich unter der dunklen Oberfläche verbirgt.“ Sie warf einen Blick über die Schulter. Alex stand hinter ihr. „Wie bei Menschen.“
„Meinen Sie?“ Seine Miene war unendlich sanft. „Und was, glauben Sie, verbirgt sich darunter?“
„Mehr, als man je ahnen würde. Licht. Schönheit. Feingefühl.“
„Sind Sie sicher? Dahinter könnte auch einfach noch mehr Dunkel liegen.“
„Nein“, sagte sie kopfschüttelnd. „Die dunkle Oberfläche ist nur Tarnung. Um das zu schützen, was darunter ist.“
Sie wussten beide, dass sie schon längst nicht mehr von dem Wasser redeten.
Alex berührte sie vorsichtig an der Wange. Sie lehnte sich instinktiv zurück. Er kam ihr näher, so nah, dass sie seine Armschlinge durch ihren dünnen Seidenschal im Rücken
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