Das Glück einer Sommernacht
Kelsey war zu sehr in den Augenblick verloren, um weiter darüber nachzudenken. „Vielleicht in ein paar Minuten.“
„Nur ein paar?“, neckte Alex.
„Vielleicht noch ein bisschen länger.“
Alex umschloss mit der Hand zärtlich ihren Hinterkopf. „Gute Antwort“, flüsterte er und näherte sich ihren Lippen. „Gute Antwort.“
Ihre Plätze im Saal blieben an diesem Abend leer. Sie hörten dem Konzert von draußen zu, wo sie unter einer riesigen Eiche am Rand der Grünfläche im Gras saßen. Alex hatte sich neben Kelsey ausgestreckt. Er hatte sein Jackett ausgezogen und galant auf dem Boden ausgebreitet, damit ihr Kleid keine Grasflecken bekam.
Von Zeit zu Zeit sah sie zu ihm hinüber, und jedes Mal begegnete sie seinem nachdenklichen Blick. Oft schien er ihren Mund zu betrachten, und dann wurde die lebhafte Erinnerung an seine Küsse wieder wach. Ahnte er, dass ihre Lippen immer noch kribbelten?
„Was?“, fragte sie endlich, als sie seinen Blick nicht mehr aushielt.
„Nichts“, gab er zurück. „Ich bewundere nur den Anblick.“
Er sagte nicht die ganze Wahrheit. In seinen Augen glänzte mehr als nur Bewunderung. Sie sah, wie es dahinter arbeitete.
Aber sie fragte nicht weiter. Dazu kam sie auch gar nicht, denn in diesem Moment beugte er sich zu ihr und küsste sie noch einmal. Ein rascher, zaghafter Kuss, der trotzdem ausreichte, um jeden Gedanken in ihrem Hirn auszulöschen.
Der Solist im Saal, ein Pianist, spielte jetzt eine Ballade von Chopin. Die sinnliche, gleichzeitig zärtliche und leidenschaftliche Musik zog durch die Nacht, steigerte sich, ebbte wieder ab, und als sie immer ruhiger wurde und langsam verklang, wurde auch Kelsey innerlich ganz ruhig. Der Abend war zu traumähnlich, um wahr zu sein. Es musste ein Traum sein. Die Wirklichkeit fühlte sich nie so gut und selbstverständlich an.
Ihr gesunder Menschenverstand meldete sich. Waren sie nicht einfach zwei einsame Menschen, die an diesem Abend ihrer gegenseitigen Anziehung nachgaben? Aber sie hörte nicht darauf. Die Musik steigerte sich noch einmal in ein großes Crescendo, und Kelsey ließ die warnende Stimme davon übertönen und folgte nur noch ihrem Gefühl. Zum ersten Mal in ihrem Leben wagte sie auf einmal, daran zu glauben, dass sie vielleicht, ganz vielleicht, einen Platz gefunden hatte, an den sie gehörte.
„Was?“, fragte Alex.
Ihr wurde bewusst, dass sie ihn ebenfalls ununterbrochen ansah. Ihr Blick hing an seinem Mund. Wie hatte sie den ganzen Sommer in seiner Gegenwart verbringen können, ohne ihn zu küssen?
„Nichts“, sagte sie leise und näherte ihre Lippen seinem Mund. „Ich genieße nur den Anblick.“
Als sie später an diesem Abend gemeinsam die Treppe zu ihren Zimmern hochstiegen, hatte Kelsey keine Ahnung, ob ihre Füße dabei die Stufen berührten. Wenn sie es sich recht überlegte, hatte sie keinen Boden mehr unter den Füßen gespürt, seit Alex sie geküsst hatte. Schwebte sie vielleicht wirklich?
Vor der Tür zu Kelseys Schlafzimmer blieben sie beide stehen. Mit wild klopfendem Herzen lehnte sie sich an das Holz und wartete. Anders als neulich abends fragte sie sich jetzt nicht, ob Alex ihr vielleicht einen Gutenachtkuss gab. Nein, die Frage war: Wollte Alex mehr?
„Heute war unbeschreiblich“, sagte sie leise und sah ihn an. „Ich glaube, ich habe noch nie so einen schönen Abend erlebt.“
„Ich auch nicht. Es fällt mir schwer, ihn zu beenden.“ Versonnen streichelte er ihr über die Wange. „Aber vielleicht sollten wir es trotzdem tun. Für heute wenigstens.“
Sie nickte und drückte einen zarten Kuss in seine Handfläche, die immer noch an ihrer Wange lag. Auch wenn sie sich fast schmerzhaft nach mehr sehnte, war es richtig, die Dinge nicht zu überstürzen. Dass Alex das auch so sah, zog sie nur noch mehr zu ihm hin.
„Dann sollten wir uns wohl Gute Nacht sagen“, flüsterte sie.
„Sollten wir wohl.“
Keiner von ihnen rührte sich von der Stelle, und Kelsey musste kichern. „Gute Nacht, Alex.“
Er lächelte und sah dabei so jungenhaft und hinreißend aus, dass ihr der Atem stockte. „Gute Nacht, Kelsey.“
Im nächsten Augenblick lagen seine Lippen auf ihren. Es begann süß und sanft und wurde schnell erregter, bis Kelsey nur noch das Rauschen in ihren Ohren hörte. Irgendwie öffnete sich ihre Zimmertür, und sie stolperten zusammen über die Schwelle, ohne sich voneinander zu lösen.
Aber statt sich weiter mit ihr in Richtung Bett zu bewegen, wie sie
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