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Das Glück eines Sommers

Das Glück eines Sommers

Titel: Das Glück eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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Abend, nachdem die Kinder zu Bett gegangen waren, schnappte Jack sich eine Taschenlampe und ging zum Leuchtturm. Er öffnete die Tür und leuchtete umher. Die Kisten an der Wand war er bereits durchgegangen, jetzt stieg er vorsichtig die wackelige Treppe hinauf.
    Unvermittelt hörte er ein leises Trappeln und drehte die Taschenlampe gerade noch rechtzeitig, um eine Maus an seinem Fuß vorbeihuschen zu sehen. Er setzte seinen Weg fort, und die alte Holztreppe knarrte unter seinem Gewicht. Schließlich erreichte er den obersten Absatz, unmittelbar unter der Zugangstür, hinter der sich die Leuchtanlage des Turms befand.
    Wieder ließ Jack den Lichtstrahl umherwandern, und die verschiedensten Dinge schälten sich aus der Dunkelheit. Die Eindrücke flogen wie ein Schwarzweißfilm aus einem alten Projektor an Jack vorbei. Dann hielt er inne und trat näher an etwas heran, das er soeben entdeckt hatte. Es war eine alte Matratze. Jack kniete sich hin und berührte sie. Mit dem Rücken an der Wand des Leuchtturms saß eine alte Puppe auf der Matratze. Das Haar der Puppe war schmutzig und verschimmelt, ihr Gesicht verdreckt. Trotzdem starrte Jack sie an wie einen Goldbarren. Er wusste, dass es Lizzies Puppe war. Auf einem alten Foto, das sie als Kind zeigte, hielt sie genau diese Puppe in der Hand.
    Jack stand auf und leuchtete erneut umher. Der Lichtstrahl blieb an einem Wandbild hängen, das offenbar mit einem schwarzen Filzstift gemalt worden war. Es zeigte ein kleines Mädchen mit breitem Lächeln. Unter der Gestalt stand der Name »Lizzie«. Daneben war eine Zeichnung des Leuchtturms mit eingeschaltetem Leuchtfeuer zu sehen. Darüber wiederum stand das Wort »Himmel«. Jack bemerkte, dass der Lichtstrahl des Turms so weit ausgedehnt war, dass er das Wort umfasste.
    Jack wollte gerade weitergehen, als er im Licht der Taschenlampe noch etwas bemerkte. Er kniete sich hin und hielt die Lampe nah an die Wand. Das Bild war nur noch teilweise zu erkennen, doch Jack wusste auch so, was es war. Es war die Zeichnung eines kleinen Mädchens mit Zöpfen. Zuerst glaubte Jack, dass es sich um ein weiteres Bild von Lizzie handelte. Doch als er sich das ausgeblichene Bild genauer ansah, fiel ihm ein wichtiger Unterschied auf. Auf dieser Zeichnung lächelte das Mädchen nicht. Ihre Mundwinkel waren nach unten gezogen.
    »Ein glückliches Mädchen ist das nicht«, flüsterte Jack, und sein Blick wanderte weiter nach unten. Er rückte noch näher an die Wand heran und las drei Buchstaben: T-I-L.
    Damit musste Tillie gemeint sein, Lizzies Zwillingsschwester, die gestorben war. Jack setzte sich auf die Fersen zurück und betrachtete die Zeichnung als Ganzes. Die restlichen Buchstaben waren so verblasst, dass sie kaum noch zu lesen waren.
    Der Lichtstrahl des Leuchtturms reichte hier nicht bis an das andere Bild heran. Tillie blieb sozusagen im Dunkeln.
    »Du hast den Himmel nie gefunden. Du hast Tillie nie gefunden.«
    Jack spürte, wie ihm Tränen in die Augen stiegen. Plötzlich konnte er kaum noch atmen.
    Die Puppe unter dem Arm, stieß er die Tür auf, die zu dem Laufsteg führte, der um die Spitze des Leuchtturms herumführte. Jack blickte hinauf zum dunklen Himmel. Irgendwo da oben war der Himmel. Und Tillie.
    Und jetzt auch Lizzie.
    Jack hob die Hand und winkte ihr zu. Dann kam er sich dumm vor und ließ die Hand sinken, doch er starrte noch immer zum Himmel. Aus irgendeinem Grund hatte er das Gefühl, seiner Frau in diesem Augenblick besonders nah zu sein.
    Er schloss die Augen und beschwor ihr Gesicht herauf. Es konnte unmöglich schon sechs Monate her sein, seit er ihre Stimme zum letzten Mal gehört, ihre Haut zum letzten Mal gespürt und sie zum letzten Mal lächeln gesehen hatte.
    Das kann doch unmöglich so lange her sein, Lizzie.
    Wieder hob er die Hand. Seine Finger verdeckten einen Stern, der vielleicht Tausende von Lichtjahren entfernt und größer als die Sonne war. Trotzdem deckten seine Finger ihn vollständig ab. Wie nah musste Lizzie ihm da sein, wenn er einen so riesigen Stern mit dem Finger verdecken konnte?
    Der Himmel muss genau da oben sein. Vielleicht hättest du ihn ja doch gefunden, Lizzie, wenn du nur ein bisschen mehr Zeit gehabt hättest und das Licht des Leuchtturms funktioniert hätte.
    Vorsichtig legte Jack die Puppe auf den Boden und zog einen Briefumschlag aus der Tasche. Es war sein dritter Brief, datiert auf den 21. Dezember. Jack wusste genau, was darinstand. Er hatte sich jedes Wort

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