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Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Titel: Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Kiefer
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uns darauf, dass Markus sich zum 15.12. eine Wohnung suchen würde, und nahmen uns einen Anwalt. Wir wollten uns nicht streiten und Kosten sparen. Aber dann fingen wir doch an zu streiten. Da schlug ich Markus vor, seine Miete für die neue Wohnung hälftig zu übernehmen, wenn er früher auszog. Markus schlug sofort ein. Er wollte auch für Sita sorgen, und das war eine große Erleichterung für mich, denn ich hatte keine Ahnung, wo ich in meinem straffen Zeitplan ein Plätzchen für sie herzaubern sollte. Ansonsten machte ich mir erst mal keine Gedanken. Alles, was ich im Moment wollte, war Ruhe. Keine Streitereien. Keine beklemmende Atmosphäre. Luft zum Atmen. Und die hatte ich, als Markus das Haus verließ.

Doch schon bald ist Tim der einzige Mann im Haus.

Model auf Rädern
    E s blieb spannend. Jetzt war ich nicht nur Rollstuhlfahrerin und Mutter, sondern auch noch alleinerziehend und Studentin. Immerhin keine Hundechefin mehr. Sita fehlte mir sehr. Von zwei Hunden auf keinen Hund, das ist ein harter Schnitt. Doch mein neues Leben mit seinen vielfältigen Anforderungen verschlang meine komplette Energie und Konzentration. Wenn abends endlich alles erledigt war, schlief ich sofort ein.
    Manchmal tut es gut, sehr beschäftigt zu sein. Ich jedenfalls konnte mir schon aus zeitlichen Gründen keine Abstürze leisten. Ich hatte keine Termine frei für Trübsal. Und das war mir nur recht – wenn ich auch hin und wieder mit großer Traurigkeit an Markus dachte. Ich war so sicher gewesen, dass wir füreinander bestimmt waren. Niemals hätte ich mir träumen lassen, dass unsere Ehe so schnell zerbricht. Und gleichzeitig war ich zutiefst dankbar für meine Fehleinschätzung. Dieser wunderbare Irrtum bescherte uns Tim, das größte Glück meines Lebens.
    Zu zweit in der Wohnung fühlte sich ganz anders an als zu fünft in der Wohnung. Markus war fort, und ich hätte es manchmal gar nicht so schlimm gefunden, wenn der Müll übergequollen wäre, und was war schon dabei, ein geöffnetes Nutellaglas zuzuschrauben und aufzuräumen, das hätte ich doch gern für ihn gemacht.
    Eine Stunde später erschien mir allein die Vorstellung des ständig laufenden Fernsehers grauenvoll. Manchmal saß ich für ein paar Minuten auf dem Sofa. Keine Musik. Kein Fernsehen. Und genoss die Ruhe. Da kam schon Tim an, und wenn ich mein Kind im Arm hielt, konnte ich unmöglich traurig sein.
    Einmal erwischte ich mich dabei, wie ich vor den beiden Hochbeeten stand, die Markus zusammengeschraubt hatte. Wie glücklich wir in der ersten Zeit im Haus waren. Wie rosig die Zukunft vor uns gelegen hatte … eine bunte Frühlingswiese voller Schmetterlinge. Im Rückblick verstand ich nicht, was mit uns geschehen war. Ich sah uns in zwei Rollstühlen durch den Ikea fetzen und mit dem winzigen Tim beim Babyschwimmen. Wir hatten viel Schönes miteinander erlebt.
    Ich kramte nach alten Fotos und fand eines von einem perfekten Familiensonntag mit Tim im Hochbeet. Wieso hatten wir es nicht geschafft? Bessere Voraussetzungen hätten wir gar nicht haben können in unserem Traumhaus mit Garten. Einen Garten hatte ich mir immer gewünscht, im Schrebergarten meiner Eltern war meine Kindheit erblüht. Früher pflanzte mein Vater Kartoffeln und Gemüse. Heute konzentriert er sich eher auf Blumen. Manchmal unterhalten wir uns am Telefon über unsere Ernte. Jetzt blühte gar nichts. Es war November und grau und kalt und neblig.

    Ich stand früher auf als vor Markus’ Auszug, machte mich fertig, weckte Tim und bereitete ihn für den Kindergarten vor. Zum Glück konnte er nun laufen; das entlastete mich sehr, da ich ihn nicht mehr von ganz unten hochheben musste. Es war einfacher, ihn frontal zu greifen: Ich holte ihn mir schräg von vorne nach oben, so dass er auf meinem Schoß lag, und drehte ihn dann seitlich in eine Sitzposition. Je älter er wurde, desto leichter machte er es mir. Später sagte ich ihm, er solle mit einem Bein auf das Fußbrett des Rollstuhls steigen, und eines Tages kletterte er aus eigener Kraft auf meinen Schoß.
    Tim frühstückte im Kindergarten – das war der pure Luxus für mich! Ich selbst nahm mir mein Frühstück in die Schule mit. Es war noch immer recht überschaubar, da ich mein Ziel von zwölf Kilo weniger noch nicht erreicht hatte – aber bald! Vor dem Kindergarten brauchte ich bloß zu hupen. Eine Erzieherin nahm Tim am Auto in Empfang. Das war sehr nett, denn sonst hätte ich erst den Rollstuhl, dann Tim ausladen und

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