Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)
Schwer atmend lag er in seinem Körbchen. Stundenlang streichelte ich ihn, hielt meine Hand auf seinen kleinen heißen Körper, und es war mir, als würde ich empfangen, was er mir sagen wollte. Ach, ich hatte es schon längst empfangen, aber es war schwer, so schwer.
Mein treuer Marcky. Er war das letzte Lebewesen in meiner unmittelbaren Umgebung, das mich als Fußgängerin kannte. Auf meinen eigenen zwei Beinen war ich ins Tierheim in Hof gegangen und hatte ihn gefunden. Er war an mir hochgesprungen und mit mir um die Wette gerannt. Er hatte seine Leine um meine Beine gewickelt, und ich war ihm beim Spielen auf allen vieren nachgekrochen. Immer war er an meiner Seite gewesen und hatte alles lieb und geduldig ertragen. So lange musste er mich vermissen, als ich im Krankenhaus lag. Genügsam war er und trotz aller Wohnungswechsel und Veränderungen stets gut gelaunt. Er hatte sich mit unserem Zweithund Sita abgefunden, und von Tim ließ er sich ohnehin alles gefallen. Der durfte ihn sogar am Schwanz ziehen.
»Danke, Marcky. Danke für alles«, sagte ich, und meine Tränen tropften auf sein Fell.
Ich rief die Tierärztin an und erzählte ihr, dass morgen mein Studium beginnen würde und ich das Gefühl hätte, jetzt sei ein guter Moment. Wenn man überhaupt von einem guten Moment sprechen könnte, aber ich glaubte, es wäre Marcky auch recht.
»Da täuschen Sie sich bestimmt nicht«, bestärkte sie mich. »Ich bin in einer Stunde bei Ihnen.«
Wir wickelten Marcky in eine schöne Fleecedecke und setzten ihn zu uns auf die Couch.
»Guck mal, was da auf der Decke steht«, sagte Markus.
Ich hatte es schon tausendmal gelesen, aber doch nicht wirklich: Lass uns Freunde bleiben.
In dieser Decke begruben wir Marcky abends im Garten. Ich hatte sein Herz gespürt bis zum letzten Pochen. An meiner Hand hatte es aufgehört zu schlagen. Tim war zu klein, um zu verstehen, was geschah. Er wuselte um uns herum, und als wir ihm erklärten, dass Marcky nun lange schlafen würde, interessierte ihn das nicht besonders. Auch Sita wirkte nicht betroffen vom Tod ihres Freundes – doch was wissen wir schon.
Ich sammelte ein paar von Marckys blonden Haaren zu einem Fellknäuel, das ich bis heute in Ehren halte. Markus suchte die schönsten Steine für den Rand des Grabes zusammen. Wir zündeten eine Kerze an, die am nächsten Morgen noch brannte. In meinem Herzen brennt sie bis heute.
In meinem Kurs gab es 17 Frauen und drei Männer. Ich kannte niemanden und suchte mir einen Platz nah an der Tür, damit ich den Rollstuhl leicht manövrieren konnte. Ich war in keiner guten Stimmung an meinem ersten Schultag. Doch auf einmal hatte ich Marcky vergessen, denn ich musste gut aufpassen, um mir die wichtigen Informationen über den Ablauf des Studiums zu merken.
Als ich nach Hause fuhr, spürte ich sehr deutlich, dass nun wieder ein neuer Lebensabschnitt begann. Marcky war nicht mehr da, und ich studierte. Ich wollte mein Leben komplett in Ordnung bringen. Reinen Tisch machen. Am 1. Oktober war Marcky von uns gegangen, am 2. Oktober begann meine Studentinnenzeit, und am 3. Oktober fragte ich Markus: »Glaubst du – jetzt mal ganz ehrlich –, dass das mit uns zweien noch eine Zukunft hat?«
Die Antwort blieb er mir schuldig.
Das war mir zu wenig.
»Ich sehe schwarz, was das betrifft«, wurde ich deutlich.
»Da könntest du recht haben«, erwiderte Markus nach einer Weile.
In dieser Nacht schlief ich kaum. Zweifel quälten mich. Durfte ich das: meinem Kind den Vater nehmen? Aber welchen Vater? Markus interessierte sich doch gar nicht wirklich für Tim. Nein, das stimmte so auch nicht, er liebte ihn sehr, doch er erfüllte die Bedürfnisse eines kleinen Kindes nicht – und schon gar nicht meine Vorstellungen, was das Zusammensein zwischen Vater und Sohn betraf. Und ich? Wie war es um meine Gefühle für Markus bestellt? Ich mochte ihn. Doch ich liebte ihn nicht mehr, und das war eindeutig zu wenig, um eine Ehe aufrechtzuerhalten.
Aber heißt es nicht: Kinder kitten eine Beziehung? Doch wenn Kinder mitbekommen, dass die Eltern streiten, ist das auch nicht gut. Würde ich es überhaupt schaffen, als alleinerziehende Mutter und Studentin, wenn auch nur mit einem Hund? Wenn Sita nicht wäre … dann könnte es klappen … Wo würde ich Markus im Alltag überhaupt vermissen? Er machte Tim für die Krippe fertig, kaufte schwere Sachen ein und mähte den Rasen – nach der fünften Aufforderung. Oder auch nicht.
Wir einigten
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