Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)
sicher nicht in meinem Sinn!
Tim bekam die Trennung seiner Eltern gar nicht so richtig mit. Markus war sonst ja auch nur abends und am Wochenende da – mehr oder weniger. Heute kann Tim sich gar nicht mehr daran erinnern, dass er in seinen ersten eineinhalb Jahren mit Mama und Papa unter einem Dach wohnte. Einmal fragte er mich: »Mama, den Papa kennst du doch auch, oder?«
Obwohl ich mittlerweile meistens die Gewissheit verspürte, dass die Trennung für uns alle drei das Beste war, sehnte ich mich nach einer Familie. Ja, es war schön allein mit Tim. Doch zur Dauerlösung sollte dieser Zustand nicht werden. Ich wollte mein Leben nicht als alleinerziehende Mutter fristen. Auch wenn es mit Markus nicht geklappt hatte, hegte ich die Hoffnung, es würde eines Tages mit einem anderen Mann klappen. Die Voraussetzung dafür wäre, dass es zwischen dem Mann und Tim klappte. Denn Tim, das war klar, war die Nummer eins in meinem Leben.
Einer unserer Dozenten hatte ein Faible für Psychologie. Er vermittelte den Stoff nicht nur unterhaltsam, sondern auch sehr spannend und anregend. Beispielsweise erklärte er uns, wie stark der Einfluss eines jeden Einzelnen auf die persönliche Lebensgestaltung ist. Menschen, die glauben, sie bekommen eine Erkältung, niesen schneller als solche, die sicher sind, über starke Abwehrkräfte zu verfügen. Gelegentlich erkannte ich meine eigenen Verhaltensmuster wieder. Ich gehöre zu den Menschen, die die Münze so lange in die Luft werfen, bis sie auf der goldenen Seite landet. Der Dozent versorgte uns mit Beispielen, die oft banal klangen – doch sie funktionieren. Wenn ich morgens denke, was ist das für ein blöder Tag, dann wird der Tag auch blöd, und wenn ich mich beim Aufwachen auf einen schönen Tag freue, wird er schön werden. Eigentlich logisch! Eine Mitschülerin nahm das sehr ernst und rief jeden Morgen, wenn sie das Klassenzimmer betrat: »Heute ist ein schöner Tag!« Obwohl ich ihr prinzipiell zustimmte, kam der Morgen, an dem ich es nicht mehr hören konnte.
Der Dozent fragte mich nach den Ferien im neuen Jahr, wie es mir mit der Trennung ergehe. Keine Ahnung, woher er davon wusste.
»Super!«, erwiderte ich wahrheitsgemäß.
»Es kann gut sein, dass sich das ändert«, warnte er mich.
»Das glaube ich nicht«, widersprach ich und konnte es mir auch nicht vorstellen, denn das Leben war viel einfacher und leichter ohne Markus. Doch der Psychologe behielt recht – oder hatte er mir da etwas eingeredet? Ende Januar überlegte ich viel zu oft, ob meine Entscheidung richtig war. Hätten wir es nicht noch einmal miteinander versuchen sollen? War ich nicht zu ungeduldig gewesen? Markus hatte es schließlich auch nicht leicht gehabt …
Allmählich konnte ich mich Markus gegenüber versöhnlicher benehmen. Nach der Trennung hatte ich nicht gewollt, dass er das Haus betritt. Ich brachte ihm Tim an die Haustür. Nun bat ich ihn schon mal herein, und wir regelten die Übergabe im Flur.
»Möchtest du Tim noch baden?«, bot ich ihm einmal an.
»Nein danke«, lehnte er ab.
»Willst du einen Kaffee?«, fragte ich ein andermal.
»Ja, gerne.«
So entspannte sich unser Verhältnis nach und nach. Vielleicht hegte ich auch eine kleine Hoffnung, wir könnten wieder zueinanderfinden.
Dann hatte ich das, was Psychologen Schlüsselerlebnis nennen. Es war an einem Sonntagabend im Frühling, da sagte Markus mit einem Seufzer aus tiefstem Herzen: »Ach, wenn ich jetzt werktags nach Hause komme von der Arbeit, dann setze ich mich erstmal auf die Couch und sehe fern oder lese was. Das ist schön gemütlich. Ich bin rundum zufrieden mit meinem Leben.«
»Das freut mich für dich«, erwiderte ich. Wenn ich nach Hause kam, machte ich den Haushalt, kochte und kümmerte mich um Tim und schaffte es später vielleicht noch zu lernen. Couch war Luxus. Von meinem Leben erhoffte ich mir mehr als Zeit für die Couch.
Mir widerfuhr eine Spontanheilung. Ich verstand schlagartig, dass wir nie, nie, nie zusammenpassen würden. Markus hatte eine völlig andere Lebensvorstellung als ich. Ich würde nie wieder mit ihm zusammensein. Innerhalb von Sekunden ließ ich meine Ehe hinter mir. Offiziell geschieden wurden wir am Ende des Jahres, das war nur noch eine Formsache. Wichtiger für mich war die innere Scheidung, die ich nun vollzog. Heute noch bin ich dankbar für diesen Augenblick. Kein Gespräch über Markus und mich, keine Therapie und kein noch so gut gemeinter Ratschlag hätte mir mehr
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