Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)
ich Ihnen zu, dass Ihr Kurs drei Jahre lang im Erdgeschoss bleibt. Eigentlich wollten wir diesen Jahrgang in den ersten Stock verlegen. Wir würden das aber verschieben.«
Mein Herz klopfte bis zum Hals. Tränen schossen mir in die Augen. Ich rief den Personalchef an und sagte zu. Ab dem 1. Oktober 2006 würde ich studieren!
Zeit der Abschiede
Marcky machte mir Sorgen. Beim Spazierengehen wurde er immer langsamer, trottete hinter uns her, und er fraß auch nicht mehr gerne, was ungewöhnlich war, weil er seinen Napf normalerweise in Rekordzeit leerte – selbstverständlich ohne zu kauen: ein Happs und weg. Eines Nachmittags, ich schälte gerade einen Apfel für Tim, krampfte Marcky. Sein kleiner Körper zitterte wie unter Strom, und seine gesamte Muskulatur war hart angespannt. Ich packte Tim und Marcky ins Auto und raste zum Tierarzt. Der untersuchte Marcky kaum und drückte mir eine Schachtel Tabletten in die Hand: »Es ist wahrscheinlich das Herz.«
Zwei Tage später der nächste Anfall. Kein Ton kam aus der weichen Hundeschnauze. Doch der kleine Kerl krampfte und zitterte und hörte nicht mehr auf. Ich fuhr erneut zum Tierarzt, den bebenden Hund im Fußraum der Beifahrerseite. An roten Ampeln legte ich meine Hand auf seinen gequälten Körper und fuhr dann heulend weiter. Lieber Gott, bitte hilf Marcky! Die Behindertenparkplätze in der Nähe des Tierarztes waren wie so oft mit Fußgängerautos besetzt. Ich rief in der Praxis an und bat, jemand möge sofort den Hund holen. Zwar kam die Arzthelferin schnell, doch Marcky wurde wieder nicht gründlich untersucht. Der Arzt drückte mir eine weitere Schachtel Tabletten für 40 Euro in die Hand. Ich war zu verzweifelt, um das einzig Vernünftige zu tun: sie ihm an den Kopf zu werfen.
Am nächsten Tag fuhr ich mit Marcky in eine Tierklinik. Dort wurde er geröntgt. Sogar ich als Laiin erkannte den riesigen Lebertumor und die Metastasen in der Lunge, die eine Ärztin mir auf den Bildern zeigte. Von einer Sekunde zur nächsten war mir übel. Marcky saß vorsichtig wedelnd vor mir, legte den Kopf schräg, so als wollte er mich fragen, warum ich so traurig sei.
Ich bückte mich zu ihm, er gab mir Pfötchen. Die Kraft, auf meinen Schoß zu springen, hatte er schon lange nicht mehr. Ich kraulte sein weiches Fell.
»Und jetzt?«, fragte ich. Tränen rannen mir übers Gesicht.
»Wir können noch eine Ultraschalluntersuchung durchführen«, sagte die Ärztin.
»Bringt das was?«
»Nein, eigentlich nicht. Wir haben den Befund ja schon. Leider ist der Krebs weit fortgeschritten. Für eine Operation ist es meiner Meinung nach zu spät. Marcky ist ja auch schon recht alt, nicht wahr?«
»Ich weiß gar nicht genau, wie alt er ist. Zehn oder elf.«
Die Ärztin schüttelte den Kopf. »Nein, das glaube ich nicht. Ich halte ihn für wesentlich älter. Vielleicht fünfzehn oder sechzehn.«
»So alt!«, rief ich. Irgendwie machte es das leichter für mich. Von einem sechzehn Jahre alten Hund hatte ich noch nie gehört. Die meisten Hunde, die ich kannte, wurden höchstens vierzehn.
»Ich gebe ihm jetzt eine Spritze zur Linderung der Schmerzen. Außerdem bekommen Sie ein krampflösendes Mittel, falls es noch mal zu einem solchen Anfall kommt. Allerdings muss ich Ihnen sagen, dass Marckys Tage gezählt sind.«
»Wie lange noch?«, fragte ich mit erstickter Stimme.
»Zwei, drei Wochen vielleicht. Wenn er leidet, dann überlegen Sie es sich gut, ob Sie ihm nicht anders helfen möchten.«
Das war deutlich.
»Ja«, schluchzte ich.
»Die Wirkung der Spritze hält ein paar Tage an. Sollten Sie das Gefühl haben, wir sollten nachspritzen, bringen Sie ihn noch mal. Wenn Sie ihn loslassen können, rufen Sie uns an. Wir kommen jederzeit zu Ihnen nach Hause und schläfern ihn ein.«
Schläfern ihn ein. Schläfern ihn ein. Schläfern ihn ein. Schnitte durch mein Herz.
Auch Markus war sehr betroffen und teilte meinen Kummer. Es machte ihn noch trauriger, dass ich so verzweifelt war. Das entging mir nicht, und irgendwie war es ein kleiner Trost, dass unsere Zuneigung trotz all der Probleme noch immer bestand. Marcky wurde von Tag zu Tag schwächer. Wenn ich morgens zur Arbeit fuhr, hatte ich Angst, ihn am Nachmittag leblos vorzufinden.
Mein Studium begann am 1. Oktober, der fiel in diesem Jahr auf einen Sonntag. Das bedeutete, ich würde gleich nach dem ersten Schultag eine Pause einlegen: Am 3. Oktober ist Tag der Deutschen Einheit. Am Sonntag ging es Marcky sehr schlecht.
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