DAS GLÜCK IM AUGENWINKEL 2: Edition Nancy Salchow (German Edition)
schon öfter versucht, mich irgendwohin mitzuschleppen, und manchmal hat sie es auch geschafft, aber diesmal war ich es selbst, verstehst du? ICH habe sie gefragt! Das ist ein sehr großer Schritt für mich, und ich bin fast ein bisschen stolz auf mich. Ich weiß, dass du auch stolz auf mich wärst. Allerdings weniger wegen der Filmwahl. Eine typische Liebeskomödie, wobei das Wort Komödie nur Titel ist, nicht Programm, denn wirklich lachen konnte man nicht drüber. Aber was soll's? Ich habe es gewagt. Zum ersten Mal seit einer halben Ewigkeit. Und das Beste: Ich habe es nicht bereut.
Vielleicht wird es mir künftig öfter gelingen, die Zeit des Einigelns (so nennt Claudia es immer) zu unterbrechen, wenn auch nur für ein paar Stunden.
Kapitel 10
"Nein, Onkel Simon, nicht die blauen Kugeln", protestierte Rhea und lief aufgeregt vom Weihnachtsbaum zu dem verbeulten Pappkarton auf dem Wohnzimmertisch. "Dieses Jahr wollen wir alles in Rotweiß machen. Wir haben ausgelost, welche Deko wir nehmen, und ich hab gewonnen."
"Tatsächlich?" Simon lächelte, während er die blaue Kugel zurück in den Karton legte und nach einer roten griff. "Wer hat denn alles teilgenommen an der Verlosung?"
"Papa, Mama und Timmy natürlich. Stell dir vor, Timmy wollte alles knallbunt haben. Typisch Jungs. Haben überhaupt keinen Sinn für Stil."
Das Wort Stil aus dem Mund seiner neunjährigen Nichte zu hören bereitete ihm ein heimliches Vergnügen, das er zu verbergen versuchte. Er wusste, wie wichtig es Rhea war, ernstgenommen zu werden.
"Hast du auch einen Weihnachtsbaum zu Hause?", fragte sie.
Bilder vergangener Weihnachtsfeste tauchten in seinem Kopf auf. Weihnachtsfeste mit Emma.
"Nein", beeilte er sich zu antworten. "In diesem Jahr nicht."
Sie schaute ihn fragend an.
"Wozu brauche ich einen eigenen Baum, wenn ich hier bei euch bin?", fuhr er fort. "Außerdem habt ihr ja schon den schönsten und größten Baum, den man sich überhaupt vorstellen kann. Dieser gigantischen Tanne könnte eh kein anderer Baum Konkurrenz machen."
Er tippte mit dem Zeigefinger auf ihre Nasenspitze.
Rhea lächelte. "Stimmt." Dann nahm sie die Kugel aus seiner Hand und lief zurück zum Baum. "Ich würde sagen, wir hängen zuerst alle roten auf und danach die weißen."
"Zu Befehl, Frau General!"
"Und danach machen wir mit dem Lametta weiter."
Simon griff nach einer weiteren Kugel und folgte Rhea zum Baum. Es tat gut, für einen Moment Teil ihrer Unbeschwertheit zu sein. Einzutauchen in eine Welt, in der die größte Priorität in der Farbe des Wackelpuddings lag, den es zum Abendessen gab.
"Habt ihr etwa schon ohne mich angefangen?" Mit den Händen in der Hüfte stand Timmy in der Wohnzimmertür. "Ich hab doch gesagt, ihr sollt warten, bis die Plätzchen im Ofen sind."
Hinter ihm tauchte Marie im Türrahmen auf. "Onkel Simon und Rhea schauen doch nur, wo sie am besten anfangen. Der ganze Baum ist noch leer, es gibt also auch für dich noch genug zu tun!"
"Das will ich hoffen", brummte Timmy und begutachtete prüfend den Inhalt des Pappkartons.
"Vielleicht fangt ihr schon mal allein an", sagte Marie, während sie Simon zunickte. "Euer Onkel muss mir mal kurz in der Küche helfen."
Die mit einem Blütenrahmen umrandeten Worte starrten ihn aus der Mitte des Küchentischs an. Rechts neben der Zeitung lagen zwei aufgerissene Tütchen Backpulver, die den Inhalt der Annonce seltsam alltäglich wirken ließen. Simon setzte sich und zog die Zeitung zu sich heran.
"Was hätte ich sonst tun sollen?"
"Es vergessen", antwortete Marie. "Oder es zumindest versuchen."
"Aber die Idee mit der Annonce ist doch prima. Eine Chance, die ich nicht ungenutzt verstreichen lassen darf."
"Eine Chance?" Sie setzte sich auf den Stuhl neben ihm. "Du meinst, genau wie die Chance, sie in einer Kfz-Werkstatt, in zahlreichen Buchläden und sogar in einem Café zu finden?"
Er unterdrückte den Drang, ihr von seiner Suche im Park zu erzählen. Nur ein weiterer Versuch, den sie nicht verstehen würde.
"Es muss einen Grund dafür geben, dass ich ihre Briefe lesen kann, Marie. Und das kann und will ich nicht ignorieren."
"Ich verstehe dich ja." Sie zog die Zeitung zu sich und warf einen flüchtigen Blick darauf. "Du willst den Dingen auf den Grund gehen, dir das Unerklärliche erklären. Und vielleicht war es anfangs auch eine begrüßenswerte Ablenkung. Es ist nur ... Ich habe einfach Angst, dass du dich zu sehr auf diese Suche versteifst. Eine Suche, die vielleicht
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