Das Glück ist eine Katze
hereinspaziert.
»Das ist Hansi«, sagte ich, »er ist ganz wild drauf, dich kennenzulernen. Die Papageienart, zu der er gehört, lebt im Urwald
in engster Symbiose mit Großkatzen wie Tigern und Leoparden. Die können gar nicht ohne einander. Hansi, das ist Schlumpel.
Ihr Name täuscht. Sie ist ausgesprochen papageienlieb und sanft wie die Milkakuh.«
»Muh!« krächzte Hansi. »Muh!«
Schlumpel sprang auf den Tisch und umrundete den Käfig ein paarmal. Hansi drehte sich auf seiner Stange mit. So umkreisten
sich die beiden, |217| Aug in Aug. Eine spontane Zuneigung konnte ich nicht entdecken.
»Ich hab dir was besonders Gutes mitgebracht«, sagte ich zu Schlumpel, in der Hoffnung, sie käme so gar nicht auf den Gedanken,
Hansi könne durchaus interessant schmecken, »
Thun mit Huhn.
Die Dose hat fünfzehn Cent mehr gekostet. Aber das bist du mir wert. Hansi auch. Die Käfigtür kriegst du nicht auf.«
Schlumpel warf Hansi, mir und der Dose
Thun mit Huhn
einen unfreundlichen Blick zu, sagte »dann schon lieber Maus!« und zog ab.
»O Heimatland!« sagte Hansi noch einmal. Und dann: »Das Wetter!«
Ich faßte es als Frage auf: »Weiß ich nicht, ich hab den Wetterbericht noch nicht gesehen. Vermutlich durchwachsen.« Ich legte
das mitgebrachte Schlaftuch über den Käfig –
Gut’s Nächtle!
stand darauf, Frau Lämmle ist eine echte Schwäbin, die es ins Badische verschlagen hat – und machte das Licht aus, was Hansi
mit empörtem Gekrächze zur Kenntnis nahm.
Dieser Psittacus erithacus, das hatte ich schnell heraus, entpuppte sich als ausgesprochen fernsehsüchtiger Vogel, als richtiger
Glotzbock, der, entgegen der Behauptung Frau Lämmles, er sei ein Frühinsbettgeher, offenbar nie vor Mitternacht die |218| Augen zuklappte. Sein Sprachschatz ließ auf seine Lieblingssendungen schließen: »Millionär« schrie er, und »Forsthaus Falkenau«
und »Mystery« und »Wahre Liebe« – und alle naslang sagte er mit schelmischem Augenzwinkern: »Das Wetter!« Und ich: »Halt den
Mund, Herr Wickert!«
Am nächsten Abend, ich las gerade in einem guten Buch, ich bin ja kein Glotzbock, fiel mir plötzlich auf, daß Schlumpel sich
seit drei Stunden nicht gezeigt hatte. Und noch was fiel mir auf: ein seltsames Geräusch aus Hansis Zimmer. Solche Töne hatte
ich bisher nicht aus seinem krummen Schnabel vernommen. Ich drückte vorsichtig die nur angelehnte Tür auf –
Schlumpel, sie mußte sich an mir vorbeigeschlichen haben, hockte auf dem Tisch, hatte das Gut’-Nacht-Tuch vom Käfig heruntergezogen,
machte einen ganz langen Hals und starrte mit geweiteten Pupillen Hansi an, wobei sie immer den Kopf von einer Seite zur anderen
drehte. Das schien Hansi nicht zu behagen, er hüpfte aufgeregt von Stange zu Stange. Aber nicht er hatte das seltsame Geräusch
hervorgebracht, sondern Schlumpel. Sie schnatterte und klapperte mit den Zähnen, konnte gar nicht mehr damit aufhören.
Das kannte ich noch von ihrem Großvater her. Wer schnattert, sendet folgende Botschaft: »Da ist was. Sehr aufregend. Ob das
schmeckt? Komm |219| leider nicht ran. Schwer hat man’s! Die Welt ist schlecht.«
»Schlumpel«, sagte ich, »laß das Geklapper und Geschnatter. Du bist keine Gans. Und du kriegst ihn doch nicht. Der ist drinnen,
du bist draußen.«
Schlumpel fauchte und schlug mit der Pfote in die Luft. »Geh mal ein bißchen raus«, schlug sie vor und klapperte schon wieder.
»Ich murks ihn ab, dabei störst du nur.«
»Besser, du gehst raus«, sagte ich.
Schlumpel sah mich wild an. Dann Hansi. Dann wieder mich. Die Wildheit verschwand aus ihren Augen und wich einer tiefen Resignation
und Erkenntnis der Lage. »Dann laß ich’s halt«, sagte sie pragmatisch.
»Sehr vernünftig«, lobte ich sie. »Hansi ist unser Gast, und seine Gäste murkst man nicht ab.«
Schlumpel sprang mit einem tiefen Seufzer vom Tisch, marschierte in die Küche und suchte Trost bei Huhn mit Thun.
»War nur ein Späßle«, tröstete ich Hansi, »Schlumpel ist nämlich eine Katze von unendlichem Humor.« Aber Hansi sah aus, als
glaube er mir nicht.
Nachdem Schlumpel kapiert hatte, daß Hansi kein bißchen gefressen werden durfte, nicht mal gerupft, machte sie’s wie der Fuchs
mit den Trauben, |220| die dieser, weil er an sie nicht rankam, zur kulinarischen Enttäuschung erklärte. »Der hat ja nur Federn«, sagte sie verächtlich,
»und nix darunter. Da halt ich mich lieber an artgerecht aufgezogene
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