Das Glück ist eine Katze
Schlumpels Zwerchfell. Und durch ihren Buckel.«
»Wie das?«
»So steht’s im Buch.«
»Ja, wenn das so im Buch steht«, sagte ich, »dann wird’s schon der Buckel sein, was, Schlumpel?«
»Und das Geräusch«, belehrte uns Konrad weiter, »wird auch verstärkt durch emotionale Veränderungen, die ihrerseits den Blutstrom
beeinflussen. Das Geräusch steigt nun durch Schlumpels Luftröhre in den Nebenhöhlen ihres Schädels empor, |233| der Schädel ist ebenfalls ein Resonanzraum, und schon haben wir das typische Schnurren. Alles ganz einfach. Hab ich recht,
Schlumpel?«
Die rollte sich auf den Rücken und streckte alle viere von sich.
»Schnurr mal!« befahl Konrad.
Schlumpel schnurrte aber kein bißchen.
»Jetzt, wo du’s ihr erklärt hast, kriegt sie’s nicht mehr hin«, sagte ich, »weil sie weiß, wie kompliziert das ist.«
Um uns war Stille.
»Da hast du was angerichtet! Ausgeschnurrt ist!«
Schlumpel zwinkerte mir zu.
»Aber«, sagte ich nach einer Weile, »das sind bloß rein wissenschaftlich-technische Schnurrerklärungsversuche. Warum sie’s
tut, verraten sie nicht, deine Experten.«
»Sie schnurrt«, sagte Konrad, »wenn sie zufrieden ist. Wenn sie gute Laune hat. Vermute ich.«
Schlumpel begann wieder zu schnurren.
»Wenn sie mich sieht«, sagte Konrad. »Sie kann’s also doch noch.«
»Sie meint nicht dich«, sagte ich. »Ihr Schnurren gilt deinem Wurstzipfel. Gib mal her!« Ich warf ihn ihr zu. Schlumpel fing
ihn im Flug.
Das gefiel Konrad nun gar nicht, weshalb er mein zweites Wienerle schnappte, mit der Behauptung, |234| bei Frauen setzten nächtliche Fressereien an, bei Männern nicht.
»Als sie ihre Schlumpels kriegte, hat sie auch geschnurrt«, sagte ich. »Und bestimmt nicht vor Vergnügen. Und als Mulli, unsere
Katze, starb, da war ich neun, und ich ihr die Pfote hielt, schnurrte die auch.«
»Das ist so«, erklärte Konrad, »weil Katzen inkonsequent sind und sich nicht an die sinnvollen, wohldurchdachten Erklärungen
der Katzenbuchschreiber halten, die es schließlich wissen müssen.« Er schnitt meinen Wurstzipfel ab und warf ihn meiner inkonsequenten
Katze zu. Dann verlangte er ein Eis. Walnuß mit Krokant. Und dann gingen Konrad und ich unter, und Schlumpel verlangte hinaus,
um ihr Revier zu kontrollieren. Auch sah sie aus, als müsse sie sich von Konrads schnurrigen Schnurrerklärungen erholen.
Ich saß im Schaukelstuhl, Schlumpel auf dem Schoß, und kämmte sie, was Schlumpel, ihrem Schnurren nach, sehr genoß.
»Du mauserst dich.« Ich hielt ihr den Kamm hin, in dem ein ganzer Filz von Haaren hängengeblieben war. »Wie Hansi, der Psittacus
erithacus.«
Schlumpel drehte sich auf den Buckel, wollte auch am Bauch gekämmt werden und stellte ihr Schnurren lauter. Es klang wie eine
kleine Orgel.
|235| »Wenn ich bloß wüßt«, sagte ich, »wie du’s wirklich machst. Und zwar, bevor Konrad auch noch draufkommt. Dein Großvater hat’s
mir leider nicht gesagt.«
Schlumpel zog, auf dem Rücken liegend, an meiner Halskette.
»Vorhof-Falte«, sagte ich. »Turbulenzen. Blutstrudel. Verstärkerzwerchfell. Resonanzraum. Vibrationen. Emotionale Veränderungen.
Was sagst du dazu?«
An der Halskette hängt nämlich ein kleiner Kater, den Schlumpel immer wieder antippte.
»Du unterbrichst diesen Luftstrom tatsächlich dreißigmal?«
Schlumpel leckte den Kater ab. Er ist aus schwarzem Onyx und erinnert mich an Stoffele.
»Falsche Stimmbänder! Hast du das gewußt?«
»Ich hab nur richtige Sachen«, sagte Schlumpel.
»Und was ist mit Konrads völlig verknöchertem Zungenbein?«
»Hat er eins?« fragte Schlumpel.
»Er nicht, aber du.«
»Das«, sagte Schlumpel, »ist nur zur Tarnung.«
»Und die falschen Stimmbänder?«
»Mit denen kann kein Schwein schnurren. Drum heißen sie ja auch falsch.« Ihre Augen funkelten vergnügt.
|236| »Aber warum schnurrt ihr, wenn ihr Schmerzen habt, oder Angst?«
»Wenn einem was weh tut«, sagte Schlumpel, »ist es gut, wenn man gestreichelt wird. Wenn einer sagt, ach du arme, liebe Katz!
Es wird schon wieder. Heile, heile, Segen. Ich geb auf dich acht. Keine Angst. Ich laß dich nicht allein. Und dann schnurrt
man auch.«
Das verstand ich.
»Und jetzt sag ich dir, wie’s geht.« Sie räkelte sich auf meinem Schoß zurecht, knickte die Vorderpfoten um zum Müffchenmachen
und verriet mir, wie man schnurrt.
Alle großen Dinge sind einfach. Nur wir Menschen sind kompliziert.
Ich war baff.
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