Das Glück mit dir (German Edition)
Kantonesisch und Mandarin.
Und das Mingporzellan. Wie sieht es aus?, drängt Nina.
Blau-weiß. Philip runzelt leicht die Stirn. Da fällt mireine Geschichte ein, sagt er dann, die Sofia erzählt hat, bei einem Essen hat ein Gast einmal eine Mingschale umgedreht, um den Stempel zu sehen, und sie dabei fallen lassen. Die Schale ist zerbrochen, und nach chinesischem Brauch muss der Gastgeber – um dem Gast aus der Verlegenheit zu helfen und um zu zeigen, dass er nicht übertrieben an seinen Besitztümern hängt – in so einem Fall seine Schale ebenfalls fallen lassen.
Und hat sie es getan?
Philip zuckt mit den Schultern. Sicher, ich vermute es.
Der arme Gast. Er muss sich schrecklich gefühlt haben.
Und was würdest du in so einem Fall tun?, fragt sie.
In einen Antiquitätenladen gehen und versuchen, die Mingschalen zu ersetzen.
Die andere Wange hinhalten.
Hätte sie das getan? Nein, wahrscheinlich nicht. Sie wird zu schnell wütend, sie ist zu schnell beleidigt. Ein echter Feuerkopf eben, haben ihre Eltern immer gesagt.
Das Resultat einer genetischen Mutation, keiner von ihnen hatte rote Haare.
Rothaarige machen fünf Prozent der Weltbevölkerung aus, erzählt ihr Philip, während sie eng nebeneinander auf ihrem schmalen Bett im Dienstmädchenzimmer in der Rue Sophie-Germain liegen. Schottland, sagt er außerdem und zwirbelt eine Strähne ihres Haars zwischen seinen Fingern, hat den höchsten Anteil an Rothaarigen. Auf Korsika glaubt man, dass rote Haare Unglück bringen, in Polen hingegen sind sie ein Zeichen für Glück.
Ich sollte nach Polen ziehen.
Rothaarige werden öfter von Bienen gestochen, fährt Philip fort. Und die Ägypter verbrannten alle rothaarigen Frauen.
Da fahre ich nicht hin, sagt Nina.
»Meine Frau hat rote Haare – oder rotbraune, wie sie lieber sagt«, so beginnt Philip eine andere Vorlesung. »Wie Sie sehen können, habe ich schwarze Haare, die allerdings langsam grau werden« – die Studenten lachen. »Unsere Tochter, Louise, ist zwölf« – Philip hält kurz inne – »nein, sie ist schon dreizehn, und sie hat auch schwarze Haare, was uns zu unserem heutigen Thema führt – der Rolle der Wahrscheinlichkeit bei der Vererbung. Sie kennen alle Gregor Mendel, den böhmischen Mönch aus dem 19. Jahrhundert, und seine Experimente mit Bohnen: gelben und grünen, die er miteinander kreuzte, worauf er dann die gelben Bohnen der zweiten Generation wiederum miteinander kreuzte und zu drei Vierteln gelbe und einem Viertel grüne Bohnen erhielt. Das Experiment war nicht völlig neu, aber vor Mendel hatte noch niemand eine schlüssige Erklärung gefunden. Mendel zeigte, dass aus den Samen eines Sprösslings der beiden ursprünglichen Bohnen – der gelben und der grünen – die folgenden Kombinationen entstehen können: gelb-gelb, gelb-grün, grün-gelb, grün-grün; und dass der Samen, der ein gelbes Gen enthält, fast immer eine gelbe Bohne produzieren wird, weil gelb hier die dominante Farbe ist …«
Bevor sie ins Bett geht, dreht Nina laut einen Schlagersender auf, um zu übertönen, wie sie sich lieben.
Philip zieht seine Schuhe und Socken, sein Hemd und seine Hose aus und singt dabei mit Johnny Hallyday mit. »Let’s Twist Again.«
Er imitiert die französisch gefärbte Aussprache von Jonny Hallyday und steigt zu Nina ins Bett. Das Schweizer Au-pair-Mädchen im Zimmer nebenan schlägt mit der Faust gegen die Wand.
Die ist bloß eifersüchtig, sagt Philip unbeeindruckt, schiebt sich auf Nina und beginnt sich langsam zu bewegen, so dass das schmale Bett gegen die Wand knallt.
Nina muss wieder lachen.
Hör auf, sagt Philip, der sie fester umschlingt und sich schneller in ihr bewegt, so dass das Bett noch mehr wackelt und heftiger gegen die Wand schlägt.
Sonst komme ich.
Let’s twist again , sagt er.
Das Schweizer Au-pair-Mädchen trommelt gegen die Wand.
Schon wieder der Fensterladen.
Wer hat noch mal gesagt, die Nacht würde Geräusche verstärken?
Philip?
Nein, Andrew.
Ein Hund bellt. Der alte gelbe Labrador der Nachbarn, vermutet sie.
Sein Name will ihr nicht einfallen.
Der arme Natty Bumppo, vergiftet.
Sie kommt nicht aus dem Bett hoch, sie schafft es nicht bis zum Waschbecken, sie übergibt sich in den Papierkorb, der neben dem Bett steht. Gleich darauf übergibt sie sich auch ins Bett. Den ganzen Tag und die ganze Nacht würgt sie heftig unter Schmerzen, bis nichts mehr in ihr ist außer Galle und sie das Gefühl hat, ihr Innerstes von sich zu geben. Sie
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