Das Glück mit dir (German Edition)
noch eine Weile auf dem Sofa liegen und genießt es, sich wieder besser zu fühlen. Neben ihr auf dem Couchtisch liegt ein Stapel naturwissenschaftlicher Zeitungen; sie nimmt eine zur Hand und blättert darin. Sie überfliegt einen Artikel, der ein Experiment zur Regenerationsbiologie beschreibt, in dem alte und junge Mäuse chirurgisch miteinander verbunden wurden. Beim Umblättern bleibt ihr Blick an Fotos japanischer Feldkunst hängen. Jedes Jahr, liest sie,pflanzen die Bauern der kleinen Ortschaft Inakadate im Distrikt Minamitsugaru der Provinz Aomori an der Nordspitze der Insel Honshu rot- und gelbblättrigen Reis der Sorte Kodaimi zusammen mit grünblättrigem Tsugaro Roman-Reis und schaffen daraus riesige Bilder nach Vorlagen berühmter japanischer Künstler. Die Bilder, so beschreibt es der Artikel, werden zuerst am Computer entworfen und dann mit Schilfrohr auf den Reisfeldern markiert.
Hast du das gesehen? , will sie Philip fragen, wenn er nach Hause kommt.
Das solltest du mal mit Salat versuchen: Lollo rosso, Römersalat, Kopfsalat …
Aber er geht nach oben, um sich kurz hinzulegen.
Philip ist stolz auf seinen Garten. An warmen Frühlingswochenenden steht er früh auf, hackt, pflanzt und jätet Unkraut. Im Sommer haben sie mehr Gemüse, als sie essen können.
Das Foto, das sie Philip zeigen will, stellt einen Krieger zu Pferde aus der Sengoku-Periode dar. Das Pferd, samt Mähne und wehendem Schweif, ist mit gelbblättrigem Kodaimi-Reis dargestellt und bläht seine mit rotblättrigem Kodaimi-Reis ausgeführten Nüstern.
Wer wird sich nun um den Gemüsegarten kümmern?
Sie versucht, an etwas anderes zu denken.
Französische Parks.
Parc Montsouris, mit über hundert verschiedenen Arten von Bäumen und Sträuchern aus aller Welt – erinnern kann sie sich nur noch an die Trauerweiden –, ist Philips Lieblingspark.
Sie mag den Jardin du Luxembourg am liebsten.
Sie schließt die Augen und wandelt in Gedanken auf alten Pfaden.
Im Frühjahr, wenn es noch hell ist und die Parktore noch nicht geschlossen sind, geht sie von der Rue Jacques-Callot, in der sie arbeitet, links in die geschäftige Rue de Seine, eilt über den Boulevard Saint-Germain und setzt ihren Weg fort, bis zu einem Laden an der Ecke zur Rue Saint-Sulpice, der alten Schmuck verkauft, wo sie einen Moment stehenbleibt und die Art-déco-Armbänder bewundert, die Ringe und besonders eine Brosche in Form einer Libelle mit Flügeln aus Smaragden und Rubinen – sie träumt davon, sie sich leisten zu können; bis die Brosche eines Tages nicht mehr im Fenster liegt und sie ihr nachtrauert – über den Verlust trauert, als ob die Brosche tatsächlich ihr gehört hätte. Einmal erspäht sie eine schlanke junge Frau – nicht älter als sie selbst –, die im Laden hinter der Scheibe sitzt, den Kopf geneigt, und Perlen auf eine Schnur fädelt. Die Frau erinnert sie an jemanden – sie weiß bloß nicht, an wen –, und angezogen von den flinken Bewegungen ihrer Hände, bleibt sie stehen, bis die junge Frau, die offenbar Ninas Gegenwart spürt, aufblickt und Nina durch die Scheibe anlächelt. Noch ein paar Schritte und die Rue de Seine geht in die Rue de Tournon über, eine breite, elegante Straße, flankiert von alten Häusern und teuren Läden. An der nächsten Ecke ein Café. Dann vor ihr das imposante Senatsgebäude, daneben der Eingang zum Luxembourg. Zu dieser Jahreszeit blühen die Birnbäume, und leuchtend rote und gelbe Tulpen säumen die Wege. Beim Wasserbecken mit den Segelbooten zieht sie sich zwei grüne Metallstühle herbei – einen zum Sitzen, den anderen, um die Füße daraufzulegen –, beobachtet die Kinder, die zu dieser vorgerückten Stunde immer noch ihre Boote mit langen Holzstecken über das brackige Wasser dirigieren, und hört den schimpfenden Müttern zu. Unvermeidlich zieht ein Mann einen Stuhl herbei und setzt sich neben sie.
Vous avez l’heure, Mademoiselle?
Sie tut, als könnte sie nichts verstehen.
Voulez-vous prendre un café?
Oft folgt ihr der Mann auch ein Stück durch den Park, dann tut Nina so, als würde sie ihn nicht bemerken.
Sie muss an einen albernen Witz denken: Eine junge Amerikanerin, die man vor den französischen Männern gewarnt hat, prägt sich ein Wort ein, um sie sich vom Hals zu halten. Das Wort lautet cochon! – Schwein! Wie vorauszusehen, kneift ihr in der Metro jemand in den Hintern, worauf sich die junge Frau umdreht und laut Couchons! ruft.
Obwohl sie stets nach ihr Ausschau hält,
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