Das Glück reicht immer für zwei
den Abfalleimer, schluckte zwei Kopfschmerztabletten, kochte sich einen starken Kaffee und packte die Unterlagen aus, die sie mitgebracht hatte.
Es war nach Mitternacht, als Ralph nach Hause kam. Er trug keine Polizeiuniform mehr, sondern Jeans und ein T-Shirt. Britt fragte sich, wo er gewesen sein mochte und wessen Kleider er trug.
»Ach, wo ist denn unsere kleine Straftäterin«, säuselte er, während er ins Wohnzimmer trat. »Oh, sie ist entlaufen. Das ist sehr, sehr schlecht.«
»Halt die Klappe, Ralph!«
»Spricht man so mit einem Mann, der sich deine Worte zu Herzen genommen hat?«
»Was meinst du damit?«
»Ich habe einen Job.«
»Oh?« Sie sah ihn skeptisch an. »Eine Rolle? In einem Stück?«
»Nein. Du wolltest doch, dass zusätzliches Geld in die Haushaltskasse kommt. Also habe ich einen Job als Barmann angenommen.«
»Oh«, sagte sie nochmals.
»Aber es macht mir nichts aus. Ich kann dabei die unterschiedlichsten Menschen beobachten. Und mein Rollenrepertoire um neue Charaktere erweitern. Allein deswegen ist es die Sache wert. Außerdem bedeutet es, dass du nicht mehr die Einzige sein wirst, die unseren Lebensunterhalt bestreitet.«
»Ralph, es war nie meine Absicht …«
»Natürlich war es das. Du tust nie etwas ohne Absicht.«
Nach dem Abendessen schlug Mia vor, ins Theater zu gehen und eine Show anzuschauen, aber Britt meinte, es sei ihr nicht danach, sie wolle lieber in die Kabine zurück. Britt, deren Gedanken zwischen ihrem lange zurückliegenden Streit mit Ralph und dem gegenwärtigen mit Mia hin und her sprangen, sagte, sie solle sich von ihr nicht abhalten lassen, sie könne schließlich tun, was ihr beliebe. Während Mia in Richtung Theater davoneilte, beschloss Britt, die nicht allein mit ihren Gedanken sein wollte, doch lieber einen Spaziergang an Deck zu machen.
Zum ersten Mal betrat sie das Casino (das hauptsächlich aus Glücksspielautomaten bestand, etwas, was sie hasste). Dann ging sie weiter zur Kunstgalerie, wo sie sich bemühte, aus einem Gemälde mit dem Titel »Sonnenbad« schlau zu werden, auf dem nur gelbe Linien zu sehen waren. Als Nächstes machte sie einen Bummel durch die Einkaufspassage, wo sie sich eine Seidenstrickweste kaufte, und zwar aus dem einzigen Grund, weil sie das plötzliche
Bedürfnis verspürte, Geld auszugeben. Schließlich begab sie sich in die Troy Bar, wo sie ein Glas Wein bestellte und von einem Unterteller Cashewnüsse naschte, die der Stewart vor sie hingestellt hatte. Als sich die Bar füllte, nahm sie ihr Glas und ging damit an Deck. Sie setzte sich in einen Liegestuhl am Trident Pool und betrachtete den Nachthimmel, der sowohl von den Lichtern des Schiffs als auch dem gelegentlichen Blitzen eines Gewitters im Westen erleuchtet wurde. Gegen die Erinnerungen, die auf sie einströmten, war sie wehrlos. Sie wusste, dass es keinen Sinn machte, sie zu unterdrücken.
Britt war klar, dass ihre Ehe an dem Abend gescheitert war, als Ralph ihr die Handschellen angelegt hatte. In jenem Moment erkannte sie, dass er nicht der Mann war, für den sie ihn gehalten hatte. Sie gab ihm nicht die Schuld. Sie war nicht sexy genug für ihn und auch nicht so unbekümmert, wie er sie gern gehabt hätte. Sie wusste nur nicht, wie sie es ihm sagen sollte.
Sie hatte sich bereits dazu durchgerungen, es ihm mitzuteilen, als er mit der Neuigkeit nach Hause kam, er habe einen Job, eine kleine Rolle in einem Stück am Project Arts Centre. Er war so glücklich, und sie brachte es nicht über sich, ihm seine Freude zu verderben. Ohnehin sah sie ihn nur noch selten, da er oft bei den Proben war. Eines Tages kam sie früher als sonst nach Hause und traf ihn eng umschlungen mit einer Schauspielerkollegin an.
Sie wusste, dass er log, als er sagte, sie hätten eine Szene geprobt. Zumal er die Uniform eines Feuerwehrmanns trug.
Mia genoss die Show, hatte aber Gewissensbisse, weil sie Britt allein gelassen hatte. Doch dann sagte sie sich, sie sei eine erwachsene Frau, die es gewohnt war, allein zu sein. Sie bereute jedoch, dass sie den Finger in Britts offene Wunde gelegt hatte – bestimmt war ihr das aufs Gemüt geschlagen.
Nach der Show ging sie in die Kabine zurück und beschloss,
nett zu Britt zu sein. Aber zu ihrer Überraschung war ihre Schwester nicht da. Es war fast Mitternacht, und auch wenn Britt ein Nachtmensch war, so verbrachte sie ihre Zeit normalerweise lieber mit einem Buch in einer ruhigen Ecke als damit, auszugehen.
Vielleicht war sie
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