Das Glück reicht immer für zwei
Geologie studiert.«
»Glaubst du?«
»Na ja, wahrscheinlich nicht. Man muss nicht nur ellenlange wissenschaftliche Berichte schreiben, sondern auch in die Krater hinabsteigen, was sicherlich der interessantere Part ist, aber auch gefährlich.«
Der Bus bog um eine Kurve und folgte der stark ansteigenden Straße, die in die Berge hinaufführte.
»Bei jeder Bustour sind wir bisher irgendwelche Berge hinaufgekrochen«, sagte Britt, während der Fahrer einen Gang zurückschaltete und der Bus ins Stottern geriet. »Vielleicht hätte ich es doch wie Meredith halten sollen, die sich bestimmt den ganzen Tag lang im Spa hätte verwöhnen lassen.«
»Tja, du hättest auf dem Schiff bleiben können«, rief ihr Mia ins Gedächtnis.
»Dazu hatte ich keine Lust. Du hast recht: Nun, da wir schon mal hier sind, sollten wir uns so viel wie möglich ansehen.«
Es dauerte eine weitere halbe Stunde, bis sie in Antigua Guatemala ankamen, und Mia biss sich auf die Lippen, als die Erinnerungen auf sie einströmten. Sie erkannte die Straße wieder, in der
sie zuerst gewohnt hatte. Die Bar, in der sie sich anfangs mit Alejo und den anderen Kollegen vom Vulkanforschungsprojekt getroffen hatte. Das Restaurant, wo sie Tortillas gegessen hatten … Sie sah all die vertrauten Orte, während der Reiseführer auf die Kathedrale hinwies und den kleinen, hübschen Platz namens Parque Central, den parkähnlichen Hauptplatz der Stadt. Der Bus hielt vor dem Restaurant, in dem das gemeinsame Mittagessen reserviert wurde.
»Es ist sehr touristisch«, erklärte Mia. »Mit Folkloretänzen und was so dazugehört, du weißt schon. Aber es wird dir bestimmt gefallen.«
»Kommst du nicht mit?«
»Ich möchte lieber auf meinen alten Pfaden wandern. Aber für dich dürfte meine Route wirklich nicht besonders interessant sein. Also, nimm du an dem Essen teil, und wir treffen uns in anderthalb Stunden wieder beim Bus. Dann werde ich gern noch mal mit dir eine private Tour zu weniger touristischen Ecken machen.«
»Ich bin auch nicht scharf auf ein Touristenmittagessen und komme lieber mit dir.«
»Wärst du mir böse, wenn ich lieber allein sein möchte?«
Britt sah sie an. Sie kannte dieses Bedürfnis nur allzu gut und wollte sich Mia nicht aufdrängen. Nein, sagte sie, das verstehe sie sehr gut. Dann folgte sie dem Reiseführer und der restlichen Gruppe in den Innenhof des Restaurants. Mia indes ging die Straße hinunter und zurück in Richtung des Parks.
Als Mia zum ersten Mal in diese Stadt kam, hatte sie das Gefühl, eine Zeitreise in die Vergangenheit zu machen. Antigua Guatemala oder La Antigua, wie sie auch genannt wurde, war eine koloniale Stadt, von den spanischen Konquistadoren erbaut und fast vollständig erhalten. Die Häuser waren klein, meist nur einstöckig und farbenfroh gestrichen – sie leuchteten rosa und orange in der hellen Sonne. Die Kopfsteinstraßen waren schmal, und im Hintergrund
ragte imposant der Agua auf, der »Vulkan des Wassers«. An ihrem ersten Tag in der Stadt hatte Mia das Gefühl gehabt, als würde jeden Augenblick Clint Eastwood in die Stadt einreiten, in einem Poncho und den Cowboyhut tief in die Stirn gezogen, um sich vor der blendenden Sonne zu schützen, und bereit, sich jederzeit auf die Seite der Wahrheit, Gerechtigkeit und der Schwachen und Ausgestoßenen zu schlagen. (Allerdings hätte er sich dann mit den Sightseeing-Bussen, Fahrrädern und Autos herumschlagen müssen, die die Straßen verstopften. Mia versuchte, die neuzeitlichen Fahrzeuge auszublenden und sich die Stadt ohne sie vorzustellen.)
Auf Anhieb fand sie die Jugendherberge, in der sie für ein paar Nächte ein Bett reserviert hatte. Nachdem sie ihr Gepäck dort abgeliefert hatte, traf sie sich mit Peter und Frank, die zwei Wochen zuvor angekommen waren, um an einer Ökokonferenz teilzunehmen. Sie gingen zusammen in eine Bar, tranken Bier, unterhielten sich. Sie war froh, hierhergekommen zu sein. In der Stadt herrschte eine bohemienhafte, lockere Atmosphäre, die Menschen waren entspannt, und sie spürte, dass sie gut dazupasste. In den Straßen wechselten sich Internetcafés, kunsthandwerkliche Läden und alte Bars ab, und bisweilen kam sich Mia ein wenig wie in einer Postkartenidylle vor.
Während Frank und Peter ihre Veranstaltungen besuchten, nahm sie Einzelunterricht in Spanisch. Josefina, ihre Lehrerin, eine hübsche, zierliche Einheimische, hatte einige Jahre in Amerika gelebt, ehe sie wieder in ihre Heimat zurückkehrte. Mia
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