Das Glück reicht immer für zwei
wiederum sagte ihr, sie würde gern Englischunterricht geben, und es dauerte nicht lange, und sie hatte selbst ein paar Schüler. So merkte sie, dass es ihr Spaß machte, anderen Menschen Englisch beizubringen.
Alejo begegnete sie in der Kathedrale, einem weißen Bauwerk mit einer reich verzierten Fassade, das, obwohl durch Erdbeben und andere Naturereignisse immer wieder in Mitleidenschaft gezogen, noch immer stolz und mächtig dastand.
Mia war nicht besonders religiös (Gerry und Paula gehörten zwei verschiedenen christlichen Strömungen an und hatten ihren Kindern nicht ihre Konfession aufzwingen wollen), mochte aber die Stille und die meisterhafte Baukunst alter Kirchen. So hatte sie auch diese Kathedrale betreten, um sie zu besichtigen, nicht um zu beten, doch beim Hinausgehen bemerkte sie einen Mann, der mit gebeugtem Kopf in einer der hinteren Bänke kniete. Für sie ein ungewohnter Anblick, sah man in Irland allenfalls noch Frauen und alte Männer beim Beten in einer Kirche. Als sie sich ihm näherte, klapperten ihre Ledersandalen auf dem Boden, und er sah auf, sodass sich ihre Blicke trafen.
Sie sah tiefschwarze Augen in einem olivenfarbenen Gesicht. Schwarze Haare. Eine klare, scharf umrissene Kieferpartie, wie mit dem Bleistift gezeichnet. Doch als er lächelte, wurde sein Gesichtsausdruck sanft. Sie spürte, wie sie errötete. Sie fühlte sich ertappt – tatsächlich hatte sie ihn unwillkürlich angestarrt, während sie den Mittelgang hinabschritt. Schnell wandte sie den Blick ab und eilte hinaus in das Gewühl des Platzes, wo sie sich auf eine Parkbank setzte.
Die Sonne schien warm durch das getupfte Blätterdach, aber eine leichte Brise kühlte die Luft. Sie befühlte ihre Wangen, die noch immer heiß waren. Der Blickkontakt mit dem Mann in der Kirche hatte sie auf ungekannte Weise berührt. Sie war erhitzt, erregt und verlegen – und wusste nicht, warum.
»Hola.« Plötzlich stand er vor ihr, ein Lächeln auf den Lippen.
»Oh … hallo. Hola«, stammelte sie.
»Amerikanerin?«, fragte er. »Oder Engländerin?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Irin.«
Sein Lächeln wurde breiter. »Aus Dublin? Ich war mal dort, nette Stadt.«
Alle Welt schien schon mal in Dublin gewesen zu sein, dachte Mia. Immer wieder traf sie Menschen, die ihre Heimatstadt kannten.
Er setzte sich neben sie. »Ich heiße Alejo.«
»Mia.«
»Ich hätte es mir denken können, dass Sie aus Irland kommen«, sagte er und berührte ihre lohfarbenen Locken. »Hübsche Farbe und typisch irisch, dieses Rot.«
Sie lachte. »Mein Haar ist nicht rot!«
»Nein?«
»Als ich kleiner war, hatte ich karottenfarbene Haare. Aber jetzt sind sie viel dunkler.«
»Ich mag sie.«
»Danke. Und woher kommen Sie?«
Er sah eher europäisch als guatemaltekisch aus, aber sicher war sie sich nicht.
»Aus Granada. Spanien.«
»Ich war noch nie dort, würde aber gern mal hinfahren.«
»Das hoffe ich. Es ist eine schöne Stadt.«
»Dublin ist also nett, aber nicht so schön wie Granada?«
»Claro«, sagte er. »Wenn Sie die Stadt besuchen, können Sie es mit eigenen Augen sehen.«
Es war komisch, dachte sie – auch wenn nicht in einem witzigen Sinn, sondern in dem Sinn, wie das Leben manchmal komisch sein kann. Sie malte sich aus, wie es wäre, mit ihm zu schlafen. Das war ihr noch nie mit einem Mann passiert, den sie gerade erst kennengelernt hatte. Natürlich war sie schon einigen Männern begegnet und hatte sie in Augenschein genommen, sich gefragt, wie sie so waren …, aber nie hatte sie sich die Männer, während sie mit ihnen sprach, nackt neben sich im Bett vorgestellt.
Sie schauderte.
»Ist Ihnen kalt?«
»Ja, der Wind ist kühl.«
»Nehmen Sie den.« Er legte ihr den rehbraunen Pullover, den er locker über seinem weißen Hemd um die Schultern geschlungen hatte, über ihre nackten Schultern. Seine Finger berührten ihre Haut. Es war, als ginge ein Stromschlag durch sie hindurch.
»Danke.« Einen Moment lang versuchte sie sich klarzumachen, was gerade mit ihr passierte. Sie hatte davon gehört, dass sich zwei Menschen vom ersten Augenblick an unwiderstehlich zueinander hingezogen fühlen konnten, aber nie daran geglaubt. Sie hatte es sich nicht vorstellen können. Doch jetzt passierte genau das mit ihr. Der Wunsch, jetzt, auf der Stelle, mit dem Menschen zu schlafen, den sie gerade erst kennengelernt hatte, war so stark, dass er jeden anderen Gedanken aus ihrem Kopf verdrängte.
Mit ihm schlafen! Sie versuchte,
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