Das Glück reicht immer für zwei
grandiose Writers-in-Residence-Idee gehabt, aber Meredith würde nicht diejenige sein, die vor Scham im Boden versinken wollte, wenn niemand zu ihren Schreibkursen auftauchte. Noch mehr beunruhigte sie – der Gedanke schnürte ihr im
wahrsten Sinne des Wortes die Kehle zu –, dass alle Welt offensichtlich dachte, sie verfüge über gewisse Weisheiten in puncto Schreiben und, schlimmer noch, in puncto Liebesbeziehungen, die sie an interessierte Menschen weitergeben könne, was mitnichten der Fall war. In Wahrheit war der Erfolg von Der perfekte Mann ein reiner Glückstreffer – am meisten war sie selbst überrascht von dem Wirbel, den ihr Roman erzeugt hatte. Und was Liebesbeziehungen anging, so war das Einzige, womit sie sich brüsten konnte, eine gescheiterte Ehe. Meredith war es bis dato gelungen, ihre Scheidung in sämtlichen Werbetexten zu Der perfekte Mann schönzufärben. In den einschlägigen Texten hieß es, Britt sei durch die Höhen und Tiefen der Liebe gegangen und ihre kurze Ehe habe ihr die nötige emotionale Reife verliehen, die ihren Roman so bewegend mache.
In Interviews machte Britt normalerweise einen großen Bogen um dieses Thema. Sie hob hervor, dass eine Beziehung weder einfach noch stressfrei sei, umso wichtiger seien dafür romantische Momente, damit der Funken der Liebe nicht erlösche. Ihre eigene Erfahrung hatte sie gelehrt, dass das Blödsinn war, und ihr Beruf bestand hauptsächlich darin, sich mit den größten Beziehungsirrtümern zu befassen. Die schlimmsten Auswüchse bekam sie zu sehen, wenn aus einer sogenannten Beziehung Zank, Abneigung und schließlich abgrundtiefer Hass wurde. Britt hatte zu viele Erfahrungen in dieser Hinsicht gesammelt, um noch an den Spruch »Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage« zu glauben. In Wirklichkeit existierte das nicht. Niemand und nichts auf der Welt würde sie umstimmen können. Nicht einmal ihr eigenes Buch.
Sie wusste selbst nicht, ob sie, als sie sich – zu jedermanns Überraschung – auf ihre eigene flüchtige Ehe eingelassen hatte, einem tief verwurzelten romantischen Impuls nachgegeben hatte. Wie auch immer, dieser Impuls hatte sich seither nicht mehr bemerkbar gemacht. Heute, im Abstand von zehn Jahren, kam sie zu
dem Schluss, dass sie damals völlig den Verstand verloren hatte. Doch damals war ihr die Heirat mit Ralph als das absolut Richtige erschienen. Und so hatte sie sich ganz der Romantik jenes Augenblicks hingegeben, als sie in ihrem schneeweißen Brautkleid, rosa und blaue Blumen im Haar, dastand und die Glückwünsche ihrer erstaunten Freunde und Familie entgegennahm, die alle das Gleiche sagten: Dass sie nie im Leben gedacht hätten, sie würde so jung heiraten, aber auch, dass sie und Ralph ein perfektes Paar abgäben. Wobei ihr hinterher klar wurde, dass sie gelogen hatten. In Wirklichkeit hielten sie sie für verrückt. Sie wussten, dass Ralph einfach zu gut aussehend und zu gesellig für sie war und sie im Gegenzug zu ernst und zu sehr auf ihre Karriere bedacht. Gewiss, sie seien ein grandioses Liebespaar gewesen, sagte später eine Freundin zu ihr, aber sie müsse wahnsinnig gewesen sein, Ralph zu heiraten.
Aber sie hatte sich verführen lassen. Nicht nur von Ralph, sondern von der Idee, jemanden gefunden zu haben, mit dem sie gern zusammen war, der sie wie eine Prinzessin behandelte und sie obendrein zum Lachen brachte. Gute Qualitäten für einen Freund, wie sie zugeben musste. Aber nicht unbedingt für einen Ehemann. Spaß und Lachen machten keine Ehe aus. Wann immer sie darüber nachdachte – im Grunde fast jeden Tag seit ihrer Rückkehr aus den Flitterwochen –, konnte sie nicht anders, als der Ehe nur negative Seiten abzugewinnen.
Auch hätte sie nie gedacht, dass sie aufhören könnte, Ralph zu lieben. Sie war sich sicher gewesen, ihn immer zu lieben, so wie an jenem ersten Tag, als sie ihn auf dem Rasen des Trinity College erblickt hatte, wo er, das aufgeknöpfte Baumwollhemd lose über der Jeans, seinen durchtrainierten und gebräunten Körper zur Schau stellte. Augenblicklich war in ihr die Begierde entflammt, und als Ralph unversehens aufgesehen und ihren Blick aufgefangen hatte, war sie vor Verlegenheit erstarrt.
Er hingegen war überhaupt nicht verlegen. Er schlenderte zu
ihr hinüber und begann, sich mit ihr zu unterhalten. So erfuhr sie, dass er seine Ausbildung an der Theaterakademie im selben Jahr beendet hatte wie sie ihr Jurastudium. Sie war damals Referendarin in einer kleinen
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