Das Glück reicht immer für zwei
Wieso sollte er sich also jetzt in Allegras Leben einmischen dürfen?
»Mag sein, dass ich die Sache mehr vom juristischen Standpunkt aus betrachte als vom moralischen«, sagte Britt. »Und ich versuche ganz bestimmt nicht, dich in irgendeiner Weise zu manipulieren. Ich will dir doch nur andere mögliche Argumente an die Hand geben.«
»Alles, was du mir gesagt hast, habe ich selbst schon hunderte Male durchgekaut, glaub mir«, erwiderte Mia.
Doch als sie dann im Dunkeln in ihrem Bett lag und dem gleichmäßigen Atem ihrer Schwester und Allegras lauschte, schob sich immer wieder ungewollt ein gewisses Bild vor ihr geistiges Auge: Allegra mit Alejo in dem großen Haus an dem malerischen Berghang.
26. Kapitel
POSITION: MÁLAGA.
WETTER: KLAR UND SONNIG. WIND: SÜDLICH, 5 KM/H.
TEMPERATUR: 25°. LUFTDRUCK: 1015.9 MBAR.
Britt saß im schattigsten Teil der Terrasse, doch auch dort war es so hell, dass sie Schwierigkeiten hatte, auf dem Bildschirm ihres Laptops etwas zu erkennen. Was, wie sie verdrießlich dachte, ganz gut war. Sie kam mit ihrem Roman noch immer nicht so flott voran, wie sie gehofft hatte. Die einzelnen Figuren strebten in verschiedene Richtungen und durchkreuzten ihre Pläne. Zu dem Personal zählte jetzt auch Lucie, Richards alte Flamme, die plötzlich wieder auf der Bildfläche erschienen war. Sie hatte in der Zeitung von dem Scheidungsprozess gelesen und beschlossen, erneut Kontakt zu ihm aufzunehmen. Ihre Anwesenheit komplizierte die Dinge noch zusätzlich.
Britt blickte auf die Uhr. Bald würde Mia, die Allegra im Kindergarten abgeholt hatte, zurückkommen. Heute Abend hatte sie frei, also würden sie es sich auf der Terrasse gemütlich machen mit dem Gezirpe der Grillen als einzigem Hintergrundgeräusch. Britt gefiel es gut in Sierra Bonita, und sie bedauerte es ein wenig, dass sie bald wieder nach Hause zurückkehren musste. Die elektrischen Arbeiten waren abgeschlossen, und der Fliesenleger hatte sie angerufen, dass sowohl Bad als auch Küche neu gefliest seien und dass er den Schlüssel wie vereinbart der Nachbarin gebracht habe. Daraufhin hatte Britt Harriett angerufen, die ihr vorgeschwärmt hatte, wie toll ihr Haus aussehe, sie würde bestimmt sehr zufrieden sein mit dem Ergebnis. Doch da es seit Britts Abreise
in Strömen gieße, rate sie ihr, ihren Aufenthalt in Spanien noch ein wenig auszudehnen.
Also beschloss Britt, ungefähr noch eine Woche dranzuhängen, ehe sie nach Dublin zurückkehrte, obwohl sie Mia nur ungern im Stich ließ. Ihre Schwester arbeitete mittlerweile nachmittags und manchmal auch abends in der Kunstgalerie – es war nicht einfach, eine Stelle mit günstigeren Arbeitszeiten zu finden.
Ob es mir zu Hause besser gelingen wird, meine Figuren in den Griff zu kriegen?, fragte sich Britt. Weil es so schön hier ist, wünsche ich mir irgendwie, dass es für alle gut ausgehen wird. Was natürlich töricht ist, denn im richtigen Leben geht es ja auch nicht immer gut aus. Und manchmal ist es unmöglich, nachzuvollziehen, warum die Menschen so oder so handeln.
Warum hat Vanessa Leo betrogen?
Nur zu gern hätte Britt die Antwort auf diese Frage bekommen, die das richtige Leben berührte. Der Gedanke an Leos Tragödie ließ sie noch immer nicht los, und sie fragte sich, wenn diese sie, die nichts damit zu tun hatte, schon so beschäftigte, wie viel schlimmer es erst für Leo selbst sein musste? Mit all den Fragen alleingelassen zu werden, auf die er niemals eine Antwort erhalten würde.
Nachdem Leo ihr von Vanessa und Donal erzählt hatte, hatte sie im Geiste die verschiedenen Szenarien durchgespielt, wie die Betroffenen hätten reagieren können, wenn es nicht zu dem tödlichen Unfall gekommen wäre. Wenn Leo die Chance gehabt hätte, seinen Bruder zur Rede zu stellen und sie ihr Leben hätten weiterleben können. Britt glaubte, dass Leos nervliche Anspannung, die sie stets an ihm gespürt hatte, darin gründete, dass er so brutal der Gelegenheit beraubt worden war, seine Wut an Donal auszulassen. Er musste unbedingt seiner Wut und all diesen negativen Gefühlen freien Lauf lassen. Doch wie er das anstellen sollte, war eine andere Frage. Sie wünschte, sie hätte für Leo ein Happy End schreiben können.
Britt klappte den Laptop zu und verließ die Terrasse, um einen Spaziergang zu machen. Sie ging mehrere Runden, um Leo, William und Richard aus dem Kopf zu verbannen. Für heute war es genug mit dem Schreiben, beschloss sie. Erst musste sie Ordnung in ihre Gedanken
Weitere Kostenlose Bücher