Das Glück reicht immer für zwei
ihren attraktiven Verlobten vorführen. Wenn sie das sagte, hakte sie sich bei ihm unter und sah ihn mit gespielter Bewunderung an, sodass er unwillkürlich lächeln musste. Also tat er ihr den Gefallen. Anfangs war es ihm schwergefallen, sich mit Menschen zu unterhalten, die aus einer völlig anderen Welt kamen. Doch das Gute war, dass sie ihn nicht kannten, aber sie hatten Vanessa gekannt. Die Medienleute waren hoffnungslos geschwätzig, da er sich jedoch nicht in ihren Kreisen bewegte, war er nicht Gegenstand ihrer Klatschgeschichten. Er kannte die wenigsten der Leute, über die sie redeten, doch er hörte zu und lachte mit ihnen. Es war ein ganz anderes Leben als das, was er zuvor geführt hatte, und er mochte es. Während des vergangenen Monats war sein Foto mindestens ein halbes Dutzend Mal in der Presse erschienen. Diese Aufnahmen von sich gaben ihm das Gefühl, endlich wieder zu existieren. Mit Pippin zusammen zu sein gab ihm das Gefühl, endlich wieder lebendig zu sein.
Er stand vom Sofa auf, schaltete den Fernseher aus und ging in den ersten Stock. Er war erst ein Mal oben gewesen, noch bevor er Vanessa kennengelernt hatte. Donal und er hatten mit ein
paar Freunden einen Rugby-Club besucht und anschließend bei Donal weitergefeiert. Danach war er zu betrunken gewesen, um nach Hause zu fahren, sodass er bei Donal übernachtet hatte. Es schien ihm, als wäre es erst gestern gewesen, und gleichzeitig hatte er das Gefühl, als wäre es eine Ewigkeit her.
Er öffnete die Badezimmertür.
Im Duschkorb lagen eine angebrochene Flasche Shampoo und eine Duschlotion. In dem Regal über dem Waschbecken befanden sich eine Zahnpastatube mit schief aufgesetzter Verschlusskappe sowie Rasierschaum, ein Nassrasierer und ein teures Aftershave.
Er hatte nicht mit diesen Toilettenartikeln gerechnet, hatte gedacht, die Reinigungsfirma hätte sie entsorgt. Auf der anderen Seite hatte er sie nicht explizit damit beauftragt, wahrscheinlich maßten sie sich derlei Entscheidungen nicht an. Er warf einen Blick in den Badezimmerschrank. Er enthielt einen Vorrat an Rasierklingen, Feuchtigkeitscreme für Männer, eine weitere Flasche Rasierschaum, zwei Packungen Paracetamol, eine Packung Imodium und ein angebrochenes Päckchen Kondome. Leo spähte in die Verpackung. Es waren noch sechs übrig.
»Scheißkerl!«, zischte er. »Du bist das Allerletzte. Ich werde dir nie verzeihen, du Mistkerl!«
Er verließ das Bad und verharrte unentschlossen am oberen Treppenabsatz. Dann drehte er sich um und stieß die Tür zu Donals Schlafzimmer auf.
Er hatte der Reinigungsfirma auch nicht gesagt, sie sollen das Bett abziehen. Sie hatten es einfach nur gemacht, die Bettdecke und Kissen lagen ordentlich darauf. Leo ging um das Bett herum zur linken Seite, der Seite, auf der Vanessa immer geschlafen hatte. Auf dem Kissen bemerkte er ein langes braunes Haar.
Leo musste sich setzen. Er ließ sich auf den Korbstuhl am Fuß des Bettes sinken und schlug sich die Hände vors Gesicht. Er weinte. Es war das erste Mal, dass er weinte, seit die Polizei ihn aufgesucht hatte, um ihm von dem Unglück zu berichten.
Er konnte nicht mehr aufhören. Eine Stimme tief drinnen sagte ihm, dass Weinen Schwäche bedeutete, erst recht, wenn er in Donals Haus heulte. Er hatte das Gefühl, als würde sein Bruder ihn dabei beobachten. Sein Bruder, der sich immer um ihn gekümmert und ihn beschützt hatte und den er mehr als jeden anderen bewunderte, blickte in diesem Moment auf ihn herab und sah, wie er weinte. Und je mehr er sich versuchte zusammenzureißen, desto schlimmer wurde es. Und doch spürte er, während die Tränen flossen, wie sich in seinem Inneren etwas löste. So wie in dem Moment, als Britt McDonagh ihn angelächelt und er das Gefühl gehabt hatte, als würde er auftauen. Oder als er mit Karen Kennedy gesprochen und etwas Ähnliches empfunden hatte. Es war, als hätte er sich die ganze Zeit über beherrscht und ließe plötzlich los. Und auch wenn es alles andere als angenehm war, verspürte er Erleichterung, denn es hatte ihn große Anstrengung gekostet, sich die ganze Zeit zusammenzunehmen.
Er rieb sich die Augen. Zu Dr. McClelland hatte er gesagt, dass Weinen für ihn ein Zeichen von Selbstmitleid sei. Aber er empfand in diesem Moment kein Selbstmitleid. Die Tatsache, dass es passiert war, tat ihm einfach nur leid. Und auch, dass sie ums Leben gekommen waren und er nie erfahren würde, warum sich Vanessa zu Donal hingezogen gefühlt hatte.
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