Das Glück trägt Cowboystiefel: Eine wahre Liebesgeschichte (German Edition)
bisschen aufpassen, die ist ziemlich scharf.«
»Ah, gut«, antwortete ich, ohne richtig hinzuhören. Sie konnte ja nicht wissen, dass ich jahrelang in L.A. mit dem Auto unterwegs gewesen war. Ich war eine gute Fahrerin.
Im nächsten Augenblick tauchte direkt vor meiner Nase eine Neunzig-Grad-Kurve auf und lachte mir schallend ins Gesicht. So schnell ich konnte, riss ich das Lenkrad nach links, das Auto rutschte über den Schotter und wirbelte eine Staubwolke auf. Aber es half alles nichts – die Kurve zwang mich in die Knie, und mein Wagen landete in einer merkwürdigen Position im Graben. Die Fahrerseite stand gut einen Meter zwanzig höher als die andere Seite.
Der Mutter meines Freundes war nichts passiert. Zu ihrem Glück gab es auf einer einsamen Rinderranch nicht viel, womit man zusammenstoßen konnte – keine Überführungen, Trennwände aus Beton, Leitplanken, andere Fahrzeuge. Mir ging es auch gut – zumindest körperlich. Meine Hände zitterten stark. Unter meinen Achseln floss der Schweiß in Strömen.
Mein Wagen bewegte sich nicht vor und nicht zurück, denn die Reifen steckten auf der rechten Seite tief in einer Erdfurche fest. Gäbe es eine Top-Ten-Liste von Dingen, die an dem Tag nicht passieren sollten, wenn man die Mutter seines Freundes kennenlernt, dann stünde das ungefähr auf Platz vier.
»Oje«, sagte ich. »Das tut mir leid.«
»Ach, mach dir keine Gedanken deswegen«, beruhigte sie mich und blickte aus dem Fenster. »Ich hoffe nur, deinem Auto ist nichts passiert.«
Marlboro Man und sein Vater hielten neben uns und sprangen aus dem Pick-up. Mein Freund öffnete die Tür und sagte: »Alles klar bei euch?«
»Uns geht’s gut«, sagte seine Mutter. »Wir haben zu viel geredet.« Ich war wie Lucille Ball in der Sitcom I Love Lucy . Lucille Ball auf Steroiden, Speed und Wodka. Ich war eine Witzfigur, eine Karikatur, ein Freak. Es konnte einfach nicht sein, dass mir das hier wirklich passierte. Nicht heute. Nicht jetzt.
»Oje, ich fahr am besten nach Hause«, sagte ich und schlug die Hände vors Gesicht. Ich wäre jetzt gerne jemand anders gewesen. Zum Beispiel ein normaler Mensch. Oder eine gute Autofahrerin.
Marlboro Man sah sich die komplett zerfetzten Reifen an. »Ich glaube, du fährst erst mal nirgendwohin. Los, in den Pick-up mit euch!« Mein Auto war außer Gefecht gesetzt.
Trotz des etwas holprigen Anfangs hatte ich am Ende einen sehr schönen Tag mit Marlboro Man und seinen Eltern auf der Ranch. Ich ritt nicht auf einem Pferd – meine Beine zitterten immer noch vom versuchten Mordanschlag auf seine Mutter. Aber ich kam in den Genuss des Anblicks von Marlboro Man auf seinem treuen Pferd Blue, während ich in einem Futterwagen mit einem der Cowboys neben ihm fuhr, der mir als Erstes eine eiskalte Dose Limonade geschenkt hatte. Ich fühlte mich an dem Tag auf der Ranch willkommen, fast wie zu Hause, und schon nach kurzer Zeit war meine unerfreuliche Begegnung mit dem Schottergraben nur noch eine vage Erinnerung – zumindest wenn Marlboro Man mir nicht gerade romantische kleine Bemerkungen ins Ohr flüsterte wie: »Fährst du eigentlich oft Auto?« Und als der Arbeitstag sich dem Ende zuneigte, hatte ich das Gefühl, meinen Liebsten ein klein bisschen besser zu kennen.
Als wir vier zusammen die eingezäunten Weiden verließen, kamen wir an meinem Toyota Camry vorbei. Er gab ein trauriges Bild ab, wie er da schief im Graben hing, der ihm den Garaus gemacht hatte. »Ich bring dich nach Hause, Ree«, sagte Marlboro Man.
»Nein, nein … halt hier an«, protestierte ich. Ich wollte unbedingt stark und unabhängig sein. »Ich krieg ihn bestimmt wieder flott!« Alle Insassen des Pick-ups brachen in fröhliches Gelächter aus. Ich würde für eine Weile nirgendwohin fahren.
Auf dem Weg zurück nach Hause fragte ich Marlboro Man über seine Eltern aus. Wo sie sich kennengelernt hatten, wie lange sie schon verheiratet waren, wie sie miteinander umgingen. Er stellte mir dieselben Fragen über meine Eltern. Wir hielten Händchen und redeten darüber, wie bemerkenswert es war, dass sowohl seine als auch meine Eltern seit mehr als dreißig Jahren verheiratet waren. »Das ist echt ziemlich cool«, sagte er. »Ist ja heutzutage eher ungewöhnlich.«
Das war es. Während meiner Zeit in Los Angeles hatte ich es immer als tröstlich empfunden, dass meine Eltern eine glückliche, stabile Ehe führten. In meinem kalifornischen Freundeskreis war ich eine der wenigen gewesen, die aus
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