Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das glückliche Ende der Welt.

Das glückliche Ende der Welt.

Titel: Das glückliche Ende der Welt. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Friedl
Vom Netzwerk:
glauben die auch vor anderen Gesetzen keinen Respekt mehr haben zu brauchen, und da meinen sie eben, das Wild wäre frei. Volkseigentum, wie man so schön sagt .«
    Sie dachte nach, und ihr Gesicht rötete sich.
    »Man kann mit dir einfach nicht reden. Für deine Familie hast du nicht viel übrig, du denkst und redest nur über deinen Beruf und steigerst dich in etwas hinein, was vielleicht gar nicht stimmt. Es steht doch nicht hinter jedem Baum ein Wildschütz?«
    Zornig fuhr er auf: »Ich höre doch die Schüsse! Ich habe doch die Spuren! Glaubst du denn, die schießen in der Luft herum, nur um mich zu ärgern?«
    »Bald wird der Winter wieder dasein.«
    »Sei froh, dann haben wir wenigstens wieder etwas Ruhe! Meinetwegen bringt er so viel Schnee, daß niemand mehr aus dem Haus kann.«
    Sie stand auf und sagte lauter werdend: »Ich bleibe keinen Winter mehr, das habe ich dir oft genug gesagt!«
    Ungeduldig winkte er ab: »Das ist ein Gerede! Wo willst du denn hin? Du hast einen Förster geheiratet, und da mußtest du wissen —«
    Nun verlor sie wieder die Fassung, und streitend schrie sie ihn an: »Das hast du mir schon hundertmal gesagt! Aber es liegt nur an dir! Schon längst könnten wir woanders sein, wenn du nur wolltest! Ich hasse diesen Wald, diese Einöde! Glaubst du denn, ich werde mein Leben hier versauern? Hier bleiben, bis ich alt bin?«
    »Das hast du mir auch schon hundertmal gesagt!« wurde auch er heftig. »Was erwartest du dir denn woanders?«
    »In der Stadt gibt es jetzt Kino und Theater — Gesellschaft — andere Leute! Aber dafür hast du kein Verständnis. Ich weiß, daß du hierbleiben willst. Deine Pflicht — ja, sieh mich nur an — aber deine Familie —«
    Er legte die Pfeife hin und erhob sich. Resigniert sagte er: »Nun haben wir ja wieder unseren gemütlichen Abend.«
    »Daran bist nur du selber schuld! Ich bleibe nicht mehr — entweder ich laufe dir davon oder ich tu mir was an! »Wo willst du hin?«
    Er war in die Küche nebenan gegangen und holte die Schuhe hervor.
    »Dorthin, wo man noch Ruhe und Frieden finden kann«, brummte er.
    Hastig schlüpfte er in die Joppe, stülpte den Hut auf und nahm das Gewehr. Durch den finsteren Hausgang rannte er wie ein Flüchtender und blieb vor dem Haus aufatmend stehen. Hinter dem grauen Schleier am Himmel stand der Mond und schaffte ein gespenstisches Zwielicht. Der schwarze Wald hatte keinen würzigen Duft mehr; leichter Modergeruch strömte aus seinem Boden.
    Die Kühle tat gut, die Luft war frisch.
    Lieber wollte er sich noch ein paar Stunden um die Ohren schlagen, als sich nutzlos streiten. Schlafen würde er ohnedies nicht können. Unschlüssig überquerte er die freie Fläche und sah noch einmal zurück. Im Wohnzimmer erlosch das Licht.
    Langsam ging er weiter, und seine Füße suchten mit leisem Tritt den Steig, der zur Grenze hinaufführte, während sich sein Gehör darauf einstellte, aus dem gewohnten Rieseln und Raunen der Nacht die fremden Geräusche auszusondern. Eine Eule strich ab und rauschte durch das Laub einer Buche, im Unterholz raschelte es, Geräusche, die ihm vertraut waren. Dann aber klang Eisen an Stein, und er blieb horchend stehen. Es war von drüben gekommen, wo eine Holzziehbahn von oben kam, die Guglwies umging und im Tal auf einen Holzlagerplatz an der anderen Seite des Teufelsbaches, gegenüber dem Ort Stinglreut, mündete. Die über den Waldboden ziehende Nachtluft brachte nun auch den schwachen Laut schlurfender und tappender Schuhe herüber. Es waren dort mehrere Männer aufwärts unterwegs, von denen einer einen Gehstock hatte.
    Er hörte sie nicht zum erstenmal und hatte schon manchen beobachtet, der zur Grenze gegangen war. Der Schmuggel blühte. In dieser Nacht war es vermutlich wieder einmal Vieh, das man herüberbringen wollte, denn dazu gehörten immer mehrere Männer.
    Eigentlich ging ihn das nichts an. Doch war er nicht auch zur Amtshilfe verpflichtet und mußte von sich aus die Grenzwache verständigen? Bis die, wenn nicht gerade zufällig die Streife auf die Schmuggler stieß, -die anderthalb Stunden Weges ankommen würden, war hier längst alles vorbei. Aber hatte er nicht ein eigenes Interesse zu wissen, was hier vorging? Am Mittag, da er in der Gaststube des Reibenwirtes gesessen hatte, beschäftigte ihn der Gedanke, daß es sich bei den Schmugglern und den Wilderern um dieselben Leute handeln könnte, die zusammengehörten und die gleiche Abnehmerorganisation hatten. Vielleicht konnte diese

Weitere Kostenlose Bücher