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Das glückliche Ende der Welt.

Das glückliche Ende der Welt.

Titel: Das glückliche Ende der Welt. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Friedl
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Gschwend, wenn man nach den kurzen Vorwintertagen beim Ambros oder, was jetzt öfter war, beim Kaspar in der Stube eine Sitzweil hielt. Die Burgl ging kaum mehr aus der Stube. Sie fror, wenn auch die Ofenhitze die anderen zum Schwitzen brachte. Sie war schwerkrank, das wußten sie alle, doch sie sprachen nicht davon. Früher hatten sie oft zusammen gesungen und waren lustig gewesen, nun rostete die Mundharmonika in der Schublade.
    Es fiel der erste Schnee und blieb, es kamen der Frost und der beißende Böhmwind, und die Gschwend war wieder eingewintert. Unter das Dach des Kaspar Thums nistete sich die graue Sorge ein: die Burgl legte sich und stand nicht mehr auf. Am Heiligen Abend schmückte der Kaspar ein kleines Bäumchen und brachte es der Burgl ans Bett und auch die anderen kamen, um in der Kammer mit der Kranken die Weihnacht gemeinsam zu feiern. Sie sangen nicht, sondern beteten bei dem Lichterbaum, und jedes Lächeln der Burgl machte sie alle froh.
    »Vor einem Jahr sind wir im Forsthaus drunten gewesen«, erinnerte die Burgl, und um auf ihre Gedanken einzugehen, ließen sie den Heiligen Abend im Forsthaus noch einmal aufleben.
    »Oft ist mir, als stund der Förster Greiner draußen vor der Tür und möcht herein, dann furcht ich mich«, sagte die Burgl wieder in eine Stille hinein, und sie sahen sich bange an.
    »Ist ein guter Mann gewesen«, lenkte die Lina ab, »und an gute Menschen denkt man halt öfter als an schlechte. Aber schön ist es gewesen in derselbigen Nacht, obwohl ich schon so nah vor der schweren Stund gewesen bin und gemeint habe, es könnt alle Augenblick losgehen.«
    »Wir haben heute gar net gesungen«, fuhr die Burgl nach einer Weile aufgeregt hoch, »nimm die Harmonika, Kaspar.«
    Dieser bekam ein rotes Gesicht und holte aus der Stube die Mundharmonika. Leise und langsam sangen sie, und auch die Burgl bewegte die Lippen. Das Brummen des Ambros war kaum hörbar. Der Kaspar wandte sich ab, und die hellen Tränen rannen ihm über die Wangen. Traurig klang das heilige Lied, und die Kerzen am Baum flackerten auf, als wäre jemand eingetreten und hätte den Wind hereingelassen.
    »Es ist so schön hier bei uns, so wunderschön, und nie hab ich geglaubt, daß die Einschicht so wunderbar sein kann«, seufzte die Burgl. Sie wandte den Blick nicht mehr vom kleinen Ambrosi, der auf dem Schoß seiner Mutter saß und mit großen Augen dem Spiel der Baumlichter zusah.
    Die Lina erhob sich: »So, jetzt gehen wir wieder, damit du schlafen kannst. Nimm nur deine Medizin.« Der Kaspar löschte die Kerzen bis auf eine und geleitete die Nachbarn vor das Haus.
    »Laß sie net allein«, mahnte die Lina, »und wenn du was brauchst, dann weck uns nur auf.«
    »Laß ihr auf alle Fälle morgen den Pfarrer holen«, riet der Ambros, »ich geh lieber gleich selber in der Früh hinunter und bring ihn herauf. Mir gefällt die Burgl gar net recht.«
    Als der Kaspar in die Kammer zurückkam, war die Burgl eingeschlummert.
    In der Nacht fiel hoher Schnee, und als der Ambros als einziger von der Gschwend am Weihnachtsmorgen nach Stinglreut hinunterstapfte, sanken die Schneereifen tief in den weichen Flaum. Erst unterhalb der Guglwies, als er die Straße erreichte, konnte er die Schneereifen abnehmen. Hier lag der erste Schnee erst eine Hand hoch. So schnell er auch ausschritt, er brauchte doch mehr als zwei Stunden, bis er im Dorf war. Es war bitterkalt, und das Hochamt mußte schon begonnen haben, denn der Dorfplatz war leer. Als letzter kam noch aus dem Reibenwirtshaus der Wirtssepp, wankte über den Platz und traf vor der Kirchentüre mit dem Ambros zusammen.
    »Höh, der Närrische von der Gschwend!« lallte der Sepp und starrte ihn mit schwimmenden Augen an.
    »Und der größte Gauner von Stinglreut«, setzte der Ambros die Rede fort, »treffen sich ausgerechnet ander Kirchentür.« Und da der Sepp auffahren wollte und ihm den Weg vertrat, setzte der Ambros drohend hinzu: »Und wenn du net gleich weggehst, dann schlag ich dich in den Schnee, daß du dir heutnixmehr verlangst.«
    Da gab der Wirtssepp die Türe frei, standnochlange mit gesenktem Kopf und kehrte wieder ins Wirtshaus zurück. Über den Dorfplatz fegte der Schneesturm und hüllte auch das Läuten der Kirchenglocken in seine Schleier.
    Nach dem Hochamt ging der Ambros in den Pfarrhof und bat den Pfarrer, er möge zur Burgl auf die Gschwend kommen.
    Das Schneegestöber war dichter geworden, als sie sich auf den langen Weg machten, und der Ambros schritt

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