Das Gluecksarmband
gesamte Zeit in der Bibliothek verbringst?» Laura hatte sich bereits umgezogen und kehrte jetzt in Minirock und Neckholder-Top zu Molly an das Tischchen zurück.
Molly schwirrte der Kopf, denn genau diese Frage hatte sie sich auch gerade gestellt.
«Ich weiß nicht. Offenbar behält jemand mich die ganze Zeit im Auge.»
Laura staunte. «Meinst du etwa einen Stalker? Iiihh, das ist ja unheimlich.»
«Nein, kein Stalker. Eher … eine gute Fee.» Sie lächelte bei dem Gedanken, dass irgendein wohlmeinendes Wesen sie behütete, ihr ermutigende Botschaften schickte und ihr Ratschläge für ihr Leben gab.
Ein neuer Gedanke tauchte am Rand ihres Bewusstseins auf, aber sie bekam ihn noch nicht ganz zu fassen.
Wieder betrachtete sie ihren neuen Anhänger. Doch, der Gedanke ergab Sinn, jedenfalls beflügelte er Mollys Phantasie.
«Ich habe dir doch mal erzählt, dass ich adoptiert worden bin, oder?», fragte sie ihre Freundin. Sie zögerte, ihre Idee auszusprechen.
Laura machte große Augen. «Ach so, du glaubst also …»
Wenn sie ehrlich war, wusste Molly nicht, was sie glauben sollte. Aber es war eine schöne Vorstellung, dass jemand auf sie aufpasste.
Vielleicht sollte sie ihrem geheimnisvollen Wohltäter einfach vertrauen? Ohne ihre Liebe zum Lesen hätte sie vielleicht gar nicht die Fähigkeit besessen, zu träumen und zu phantasieren und über den neuen Anhänger zu staunen.
Sie beschloss, sich morgen ein Buch auszusuchen, eins ihrer alten Freunde, und einfach nur zum Vergnügen zu lesen.
Aber heute Abend … heute Abend würde sie mit Laura zu dieser Party gehen und Spaß haben. Und auf diese Weise das verwirklichen, was der Anhänger ihr vielleicht sagen wollte.
Schließlich konnte sie ihre Zukunft mit einem aufgeschlagenen Buch vergleichen, dachte Molly. Und war es nicht das Schönste im Leben, voller Freude die eigene Geschichte zu schreiben?
6
G reg durchstöberte die Brotschublade und förderte einen Kanten Weißbrot und einen Rest Roggenbrot zutage. Mit Tomate und Mayo machte er sich ein improvisiertes Sandwich und lehnte sich dann an die Frühstückstheke, um es zu verzehren.
Nonno, sein Großvater, hätte sich beim Anblick dieses Leckerbissens im Grabe umgedreht. Trotz seiner Herkunft waren
Nonno
für Großvater und
Nonna
für Großmutter eigentlich die beiden einzigen italienischen Wörter, die Greg kannte. Und das auch nur, weil seine Mutter immer gesagt hatte: «Oh, das hätte deiner Nonna gut gefallen», oder «Dein Nonno konnte ein echt geniales gegrilltes Käsesandwich machen.»
Beide Großeltern waren schon lange vor Gregs Geburt gestorben, und er fragte sich oft, welchen Einfluss sie wohl auf sein Leben gehabt hätten. Auch die Eltern seines Vaters waren jung gestorben, eine Folge der harten Arbeit und der Opfer, die sie hatten bringen müssen, um in Amerika Fuß zu fassen.
Greg ging in seine Dunkelkammer, goss die verschiedenen chemischen Flüssigkeiten in die Fotoschalen und knipste die Lichter aus, um mit der Entwicklung zu beginnen. Ein Gefühl der Gelassenheit überkam ihn, das er nur bei der Arbeit in der Dunkelkammer erlebte. Es war einer der Gründe, warum er auch im Zeitalter der digitalen Fotografie mit Vorliebe auf die altbewährten Techniken zurückgriff, mit Filmen arbeitete und seine Negative selbst entwickelte.
«Oder es liegt einfach daran, dass deine ganzen Chemikalien dich high machen», neckte Karen ihn oft.
Seit seiner Kündigung waren ein paar Tage vergangen, und Karen hatte sich inzwischen ein wenig beruhigt. Sie hatte wohl bloß etwas Zeit gebraucht, um sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass er die Firma verlassen hatte und sich selbständig machen wollte. Dass sie so heftig reagiert hatte, war ja seine eigene Schuld gewesen, denn er hatte sie ohne jede Vorwarnung mit dieser großen Veränderung konfrontiert. Wer konnte ihr da vorwerfen, dass sie sich Gedanken machte? Aber sie brauchte sich nicht lange zu sorgen: Greg war nicht der Typ, der bloß herumsaß, und heute würde er richtig loslegen. Seine Arbeit würde vielleicht noch nichts abwerfen, aber schließlich musste jeder irgendwo anfangen.
Er ließ die Flüssigkeiten wirken, und als er alle Fotos zum Trocknen aufgehängt hatte, verließ er den Raum, um abzuwarten.
Greg fiel auf, dass der Anrufbeantworter blinkte. Er war so in seine Arbeit vertieft gewesen, dass er das Telefon gar nicht gehört hatte. Karen, stellte er fest, als er den Anruf abhörte.
«Hey, wir machen hier draußen gerade erst
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