Das Gluecksarmband
Margot der Frauentyp war, der sich Form und Stil des eigenen Lebens von Assistentinnen und Stylistinnen diktieren ließ. Und für eine Frau, die so etwas an andere delegierte, war ein Bettelarmband zu spielerisch, es ließ sich auf keine modische Richtung festlegen.
«Natürlich. Ich habe mich einfach gefragt, ob sie einen Blick auf das Armband werfen könnte. Vielleicht würde sie es wiedererkennen? Oder zumindest diesen einen Anhänger, das kleine Ei?», fügte Molly hinzu. «Ich glaube, Ms. Mead versteht sehr viel von Schmuck.»
«Auf jeden Fall kauft sie viel Schmuck, Ms. O’Neill.»
«Bitte, nennen Sie mich doch Molly.» Ihr fiel auf, dass diese Einladung zu größerer Vertraulichkeit nicht erwidert wurde.
«Sie haben gesagt, das Armband wurde in dem Laden, wo Sie arbeiten, in einer Jacke gefunden.»
«Ja, ich arbeite in einem Vintage Store im Village. Das Armband habe ich in einer Jacke gefunden, in einer sehr schönen Chanel-Jacke, und ich will es einfach nur an seine Eigentümerin zurückgeben. Sehen Sie, ich habe selbst eins –» Molly ließ ihr Armband klimpern – «und ich hab mir einfach gedacht, wenn ich sozusagen den Brotkrumen folge, führt die Spur mich vielleicht zu der Frau, die es vermisst.» Sie kicherte verlegen. «Bestimmt denken Sie jetzt, ich würde zu viele Märchen lesen.»
«Nein, ich finde es nett, dass Sie das machen.» Jessicas Stimme wurde etwas milder. «Tut mir leid, dass ich eben unhöflich war. Entschuldigen Sie bitte.»
«Kein Problem, das ist die Zeit vor Weihnachten – alle haben so viel zu tun.» Molly hoffte, dass Jessica nun etwas zugänglicher werden würde. «Glauben Sie, dass Ms. Mead einen Blick auf das Armband werfen würde?»
«Also, es ist so.» Jessica klang wieder so schroff wie am Anfang, «Margot Mead ist bei ungefähr dreißig karitativen Organisationen hier in New York im Vorstand. Sie hat fast jeden Abend eine Veranstaltung und kaum Zeit, einen Blick auf ihren eigenen Mann zu werfen, geschweige denn auf ein …» Jessica brach ab und seufzte. «Warten Sie mal, haben Sie gesagt, der Anhänger ist ein mit Diamanten besetztes Ei?»
«Ja.»
«Also, das ist ja total abgefahren, kann sein, dass ich vor einer Weile mal so was gesehen habe – bei einer von unseren Benefizveranstaltungen. Als Preise gibt es da oft Schmuck.»
Molly bekam Herzklopfen. «Das heißt also, dass man ihn eventuell gewinnen konnte?»
Ein schöner Preis …
«Schon möglich. Natürlich halten wir so was fest, wegen der Steuer. Könnten Sie mir vielleicht ein Foto von dem Anhänger mailen? Vielleicht erkenne ich ihn wieder.»
«Das wäre super. Sind Sie sicher, dass sie ihn nicht in natura sehen wollen?»
«Glauben Sie mir, ich bin froh, wenn ich in der nächsten Zeit mal das Tageslicht sehe. In diesem Jahr ist für die Weihnachtstage so viel zu organisieren, eine Soiree im Plaza Hotel, ein Cocktailabend im Four Seasons, dann der Benefizabend in der Bibliothek …»
«Okay, ich verstehe. Geben Sie mir Ihre Mailadresse, dann schicke ich Ihnen das Foto, sobald ich kann.» Oder nein, wahrscheinlich würde sie Danny darum bitten. Da Jessica jedoch so sehr mit der Organisation weihnachtlicher Events beschäftigt war, rechnete Molly nicht damit, bald wieder von ihr zu hören.
«Ich kann natürlich nichts versprechen, aber wenn wir das Ei als Preis vergeben haben, dann ist es gut möglich, dass wir Informationen darüber haben. Die Daten der Gewinner halten wir allerdings normalerweise nicht fest …»
«Ehrlich, wenn Sie mir auch nur ein kleines bisschen weiterhelfen könnten, wäre das supertoll. Danke schön.»
«Keine Ursache. Wo, sagten Sie, arbeiten Sie?»
«Im
Secret
Wardrobe
, gleich an der Bleecker Street.»
«Ach ja, das Geschäft kenne ich.»
«Wirklich?» Molly war überrascht. «Vielleicht hat Ms. Mead uns schon mal Kleidung geschickt? Sie hat sicher einen Wahnsinnskleiderschrank – wo sie doch auf so viele Veranstaltungen geht.»
«Das bezweifle ich. Ms. Mead hat es nicht nötig, Provision für irgendwas zu nehmen, und sie ist sehr stolz auf ihre Garderobe.»
«Das glaube ich gern.» Molly überlegte, ob Margot Mead klar war, wie paradox es war, den Modedesignern so viel Geld in den Rachen zu werfen, statt es direkt den Wohltätigkeitsorganisationen zu spenden, in deren Vorstand sie saß. Aber andererseits klang es, als könnte diese Frau sich beides leisten und trotzdem noch das Essen auf den Tisch bringen.
«Man muss eben gut aussehen, wenn man
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