Das Gluecksarmband
Backsteinbau ohne jegliches Schild.
Sie zog ihren Lammfellmantel enger um sich und öffnete die schwere, mit Schnitzereien verzierte Eichentür. Ein Schwall heißer Luft schlug ihr entgegen. Angesichts der hohen Decken im Raum war das erstaunlich, aber die Wärme tat ihr gut.
Die rote Farbe der Wände kontrastierte mit den dunklen Holzdielen, in denen sich die Lichter der Spotlights und Lichtschienen spiegelten. Der Raum hätte auch zum Mo MA gehören können, so elegant wirkte er. Mollys Blick wanderte sofort zu den Wänden, die mit Pop Art und Fotografien bedeckt waren. Auf einigen Fotos waren Orte in New York zu sehen, auf anderen exotische Plätze, von deren Besuch Molly nur träumen konnte.
Fasziniert schlenderte sie an den Wänden entlang. Fast hatte sie vergessen, warum sie überhaupt hergekommen war, da näherte jemand sich leise von hinten.
«Willkommen in der Galerie Del Vecchio. Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?»
Molly drehte sich rasch um. Sie stand vor einem dunkelhaarigen Mann mit markantem Kinn und hinreißenden Gesichtszügen. Er sah einem jungen Kerl, den sie vor vielen Jahren in Manhattan kennengelernt hatte, sehr ähnlich. Allerdings sprach der Mann vor ihr mit einem weichen italienischen Akzent. Er hatte lange schwarze Wimpern, doch seine Augen waren nicht blau, wie Nicks Augen, sondern von einem warmem Bernsteinbraun. Sein Lächeln wies ihn als Herzensbrecher aus, und Molly wappnete sich innerlich, um nicht wieder zur Beute eines charmanten Mannes zu werden.
Aber es war ihrem Wesen fremd, zu einem unbekannten Menschen unhöflich zu sein, und so stahl sich doch ein Lächeln auf ihre Lippen.
«Ja, vielleicht können Sie mir helfen. Ich möchte gern mit Gennaro del Vecchio sprechen.»
Sein Lächeln wurde breiter. «Na, dann haben Sie Glück, denn der steht vor Ihnen.»
«Ach so», stotterte Molly entwaffnet.
Allein die Tatsache, dass eine attraktive Frau nach ihm gefragt hatte, schien ihn zu einer übertriebenen Körpersprache anzufeuern.
«Und wer sind Sie?», erkundigte er sich.
«Oh, sorry, ich bin Molly O’Neill.»
«Und was führt Sie hierher, Molly O’Neill? Suchen Sie ein neues Kunstwerk?»
Genau, dachte Molly. Jedes einzelne Stück hier an der Wand kostete vermutlich mehr, als sie in einem ganzen Jahr an Miete zahlte.
«Sie haben wirklich schöne Kunst, aber mir geht es um etwas anderes. Und es ist eine ziemlich lange Geschichte. Ich möchte Sie nicht stören, wenn Sie gerade beschäftigt sind.»
«Sieht es so aus, als würde ich hier von Kunden überrollt, die Weihnachtsgeschenke suchen?», zog er sie auf. «Mein Laden hat – wie sagt man das? – nicht gerade oberste Priorität, wenn es darum geht, einen Strumpf zu befüllen.»
Molly lachte. Und ja, sie musste zugeben, dass sie es furchtbar gern hörte, wenn Männer mit Akzent sprachen. Außerdem sah er wirklich gut aus. Leider erinnerte er sie zu sehr an einen gewissen Jemand, an den sie lieber nicht regelmäßig dachte.
«Und außerdem», fügte er vielsagend hinzu, «habe ich für eine schöne Frau immer Zeit.»
Das glaube ich dir gern, dachte Molly, während sie ihre emotionale Rüstung wieder anlegte, um sich gegen seine Anziehungskraft zu schützen. «Danke.»
«Also, erzählen Sie mir Ihre Geschichte, Molly O’Neill. Und wie kann ich Ihnen helfen?»
Molly zog das Armband aus der Handtasche und schilderte, wie sie versuchte, die Eigentümerin ausfindig zu machen, und wie sie durch das Hufeisen auf Gennaros Galerie gekommen war. Als sie geendet hatte, holte sie erst mal Luft und wartete darauf, dass der Galeriebesitzer etwas sagte.
«Darf ich das Armband mal sehen?»
Molly reichte es ihm bereitwillig, und er betrachtete es genau. Sie dachte, er würde nach dem Hufeisen suchen, das sie hierhergeführt hatte, doch er griff gleich nach dem Anhänger, der sie an eine Kaulquappe erinnerte.
«Dieser
corno
ist wunderschön. Eine ganz besonders schöne Arbeit», erklärte er, während er ihr den Anhänger auf der Handfläche hinhielt.
«Wie haben Sie ihn genannt?
Corno?
», fragte Molly fasziniert. «Was ist das?»
«Es ist italienisch und heißt Horn. Ein traditioneller Talisman, der vor Bösem schützt.»
Interessant, dachte Molly. Konnte die Besitzerin des Armbands Italienerin sein?
«Ja, der ist wirklich schön», antwortete sie dann.
«Ein kleines Kunstwerk. Ich bin mit
corni
aufgewachsen.» Gennaro lachte. «Vielleicht sogar mit diesem hier.»
Molly machte große Augen. «Wie bitte?»
«Ich
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