Das Gluecksarmband
vorstellen müssen. Sie war mit dem Kreuzworträtsel fertig, schob es in ihre Tasche und sah auf die Uhr. «Also, können wir jetzt endlich mit unserer Präsentation loslegen?»
«Okay, okay, ich gehe ja schon!» Amy grinste. «Allerdings habe ich immer gedacht, es seien die Künstler, die zu Stimmungsschwankungen neigen – nicht ihre Freundinnen.»
13
A uf dem kurzen Weg von Dannys Schule zum
Secret Wardrobe
überholte Molly Menschen, die Weihnachtseinkäufe machten und Tannenbäume durch die Straßen schleiften. Sie musste an die Weihnachtsfeste ihrer Kindheit denken. Ihr Vater hatte seinen Haushaltswarenladen immer erst am Heiligen Abend geschlossen.
Alle Jahre wieder hatte sie gebettelt, er solle doch etwas eher schließen, so wie die anderen Geschäfte in der Straße, aber Seamus hatte sie dann erinnert, dass ein Eisen- und Haushaltswarenladen manchmal das Weihnachtsfest rettete. Ein Geschenk in letzter Minute für den Ehemann oder den Vater, Glühbirnen, Sicherungen, Isolierband: Diese Dinge waren für ein gelungenes Weihnachtsfest unverzichtbar. Warum sollte er sie den Leuten vorenthalten?
Natürlich hatte Seamus recht gehabt. Es gab immer Kunden, die kurz vor Geschäftsschluss in heller Panik hereingestürzt kamen, weil ihre Lichterkette nicht funktionierte, weil sie vergessen hatten, einen Weihnachtsbaumständer zu kaufen oder weil Onkel Charlie zu Besuch kam, der schon ewig davon sprach, wie sehr er sich einen Akkuschrauber wünschte.
Etwa um sechs Uhr am Heiligen Abend löschte Seamus dann endlich die Lichter in seinem Laden und ging die paar Blocks nach Hause, wo Molly und Eileen schon sehnsüchtig auf ihn warteten. Der Truthahn stand oben auf dem Ofen, und die Schüsseln mit den Beilagen – Kartoffeln, Bohnen, Kompott – waren mit umgedrehten Tellern zugedeckt, damit alles warm blieb. Eileen hatte eine Platte von Bing Crosby oder Johnny Mathis aufgelegt. Die Lampen waren gedimmt oder ausgeschaltet, sodass der Weihnachtsbaum mit seinen bunten Lichtern in dem kleinen Raum einen warmen Schein verbreitete. Der Kamin war schon vor Jahren zugemauert worden, so wie die meisten Kamine in den Backsteinhäusern an ihrer Straße. Als Ersatz für ein offenes Feuer zündeten sie auf dem Sims im Esszimmer drei Kerzen an.
Wenn Mollys Vater sich umgezogen hatte, kam er in einem frischen Oberhemd und mit Krawatte wieder nach unten und zerlegte den Truthahn. Obwohl sie nur zu dritt waren, machten sie sich alle fein, und ihre Mutter hatte das Silber geputzt und ihr bestes Porzellan hervorgeholt. Nach dem Festessen wurde Molly ins Bett geschickt, mit der Drohung, dass der Weihnachtsmann vielleicht nicht kommen würde, wenn sie zu lange aufblieb. Sie hängte ihren Strumpf an das Kaminsims und ging nach oben. Dabei blieb sie auf jeder Treppenstufe stehen und bettelte, doch noch ein bisschen aufbleiben zu dürfen – aber sie hatte nie Erfolg mit ihrem Flehen.
Anschließend setzten ihre Eltern sich auf das winzige Sofa, öffneten eine Flasche Wein und drehten Johnny Mathis etwas lauter. Molly konnte in ihrem Zimmer hören, wie sie sich unterhielten und lachten und wie ihr Vater mit seiner tiefen Brummstimme von seinem Tag erzählte.
Endlich fiel sie in Schlaf – und sobald es am Weihnachtsmorgen hell wurde, hüpfte sie die Treppe hinunter, um nachzusehen, was der Weihnachtsmann in ihren Strumpf gepackt hatte. Sie fand immer Süßigkeiten und Schokolade, normalerweise auch eine Parfümprobe, hübsche Söckchen mit Spitze um die Knöchel, und ganz unten im Strumpf eine große, dicke Apfelsine. Mittlerweile saßen auch ihre Eltern auf dem Sofa, ganz verschlafen und mit Kaffeetassen in den Händen, und auf dem Plattenspieler lag wieder Bing Crosby. Ihre Mutter sorgte dafür, dass sie alle ein hartgekochtes Ei aßen, damit sie die Messe durchhielten, und dann wanderten die drei durch die verschneiten, menschenleeren Straßen zur Kirche. Die Messe war doppelt so lang wie an normalen Tagen, und beim Gedanken an die Süßigkeiten und die Schokolade zu Hause begann Mollys Magen zu grummeln und zu knurren. Manchmal steckte Seamus ihr dann ein Pfefferminzbonbon zu. Dabei legte er den Finger auf die Lippen, weil sie es Eileen nicht merken lassen sollte. Molly schob das Bonbon dankbar in den Mund und lutschte es lautlos während der Predigt.
Nach Seamus’ Tod waren sie nie mehr zur Kirche gegangen. Am Sonntag nach der Beerdigung war Molly morgens fix und fertig angezogen in die Küche heruntergekommen, wo ihre Mutter
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