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Das Glücksbüro

Das Glücksbüro

Titel: Das Glücksbüro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Izquierdo
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verschwörerisch die Augen zusammen und flüsterte: »Sie müssen es wie einen Unfall aussehen lassen …«
    Seinem Gesichtsausdruck konnte sie entnehmen, dass er in Ironie offensichtlich ungeübt war oder mittlerweile so verzweifelt, dass ihn Scherze über den Antrag nicht mehr erreichen konnten. Er wirkte so hilflos, dass sie ihn am liebsten in den Arm genommen und getröstet hätte.
    So sagte sie dann: »Machen Sie sich nichts draus. Ich habe nichts beantragt. Aber trotzdem hat der Antrag was Gutes bewirkt …«
    »Tatsächlich?«
    »Ja, er hat Sie zu einem Künstler gemacht.«
    Albert sah sie völlig überrascht an, und seine Stimme klang fast schon empört: »Ich bin doch kein Künstler!«
    Anna beharrte auf ihrer Meinung: »Natürlich sind Sie das! Sie haben mein Werk vollendet!«
    Einen Augenblick lang studierte er ihr Gesicht, weil er sich nicht sicher war, ob sie ihn nicht wieder auf den Arm nahm. Aber Anna sah ganz ernsthaft aus, sie meinte, was sie sagte.
    »Und deswegen bin ich jetzt ein Künstler?«
    »Ja.«
    Albert war das Lob unangenehm. Die Erhebung in den Künstlerstand erschien ihm völlig ungerechtfertigt, denn nichts an ihm war ein Künstler. Gleichzeitig fühlte er sich auch ein bisschen geschmeichelt, denn nie hatte jemand auch nur vermutet, dass er einer sein könnte. Am wenigsten er selbst.
    »Ich kann nicht malen. Ehrlich.«
    »Das müssen Sie auch nicht«, antwortete Anna und trat ganz nah an ihn heran. Sie sah ihn an, gleichzeitig spürte Albert ihren Atem und nahm ihren Geruch wahr, der ihm sehr gefiel. Wie irritierend. Eine solche Nähe war ihm direkt unheimlich. Wie konnte man sich davor schon schützen?
    Sie legte die Hand auf seine Brust und klopfte ganz leicht gegen sein Herz.
    »Es ist hier drin. Verstehen Sie?«
    Albert war so verwirrt, dass er gleichzeitig nickte und sagte: »Nein.«
    Anna hingegen lächelte über den kleinen Scherz und war sich sicher, dass sie mit ihrer Einschätzung vollkommen richtig lag. Mochte Albert auch noch so grau und eindimensional wirken – seine Augen waren es nicht.
    »Ich weiß, dass Sie einer sind. Ich kann das spüren.«

23.
    Welche Farbe hat ein Herzschlag?
    Wie schmeckt ein Wort?
    Nach was duftet Glück?
    Albert hätte es für den Moment eines Wimpernschlages beantworten können, dann jedoch war es weg, und er verbrachte den Rest des Tages damit, sich daran zu erinnern. Er sah alle möglichen Farben, aber nicht die, die er suchte. Er belauschte seine eigene Stimme, aber da war nichts als Luft, Wasser, Atem. Und was er roch, war vertraut, aber nichts, was ihn berührte.
    Albert war sich sicher, ein Künstler hätte die Fragen beantworten, ein Dichter die Empfindungen in Worte fassen können und ein Maler hätte ein Grau geschaffen, das die Farbenlehre gar nicht vorsah. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte er in eine andere Welt gesehen, dann jedoch war der Vorhang gefallen, und er hatte wieder im Zuschauerraum Platz genommen. Das Theater war von ausnehmender Schönheit und Größe und so kunstvoll illuminiert, so penibel gepflegt, dass man jeden Moment einen Ansturm von Zuschauern erwartete. Sie würden kommen und ihre Plätze suchen, Stimmen würden nach und nach leiser werden, Spannung die Luft knistern lassen. Dann, plötzlich, würde das Licht erlöschen und der Vorhang sich heben. Applaus würde in Wellen gegen die Bühne branden, dann würden alle still sein und auf das erste Wort warten.
    Albert gefiel das Bild, aber je länger er drüber nachdachte, desto sicherer war er, dass es keine weiteren Zuschauer außer ihm geben würde. Es war, als hätte er das Festspielhaus zwischen zwei Stücken betreten. Das eine war vorbei, das andere hatte noch gar nicht angefangen. Die große Bühne war somit hübsch anzuschauen, aber zu nichts nütze.
    Selbstredend fand er nur schwer in seinen gewohnten Arbeitsalltag zurück, denn er grübelte über Annas Bemerkung nach und fragte sich, ob in ihm ein Künstler steckte und was einen Künstler zu einem Künstler überhaupt machte. Er konnte weder malen noch schreiben noch bildhauern noch musizieren noch sonst etwas, was ihn des Künstlerseins hätte verdächtig machen können. Und war Talent nicht Grundvoraussetzung für eine künstlerische Tätigkeit? Oder war künstlerische Begabung ein Antrag, der sich aus sich selbst heraus begründete? Eine Art E 45, der eines Tages auf deinem Schreibtisch lag und der dich ebenso verwirrte wie beunruhigte. Brauchte es eine bestimmte Fähigkeit, um Künstler zu

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