Das Glücksbüro
Elisabeths Schreibtisch vor, warf seine Aktenmappen auf den Tisch, kehrte auf dem Absatz um und jagte im Höchsttempo wieder raus. Er bekam nicht einmal mehr mit, wie Elisabeth und Mike sich ansahen, völlig verblüfft über den Kurzauftritt ihres Kollegen.
Selbst Susanne wartete bereits vor seinem Büro, doch sie sagte nichts, sondern wünschte ihm wie immer einen guten Morgen. Albert nickte kurz, nahm ihr die Ordner ab und schloss das Büro auf. Rasch schlüpfte er hinein, schloss gehetzt die Tür und lehnte sich dann erst einen Augenblick an, bevor er die ersten tiefen, ruhigen Atemzüge nahm, spürte, wie er langsam wieder zu sich fand.
Was für ein Horrormorgen.
Und er war noch nicht vorbei, denn auf seinem Schreibtisch lag: der Antrag.
25.
Nichts war erledigt.
Kein einziger Antrag bearbeitet, kein Stempel aufgedrückt, keine Unterschrift gezeichnet, kein Blatt geheftet worden. Nichts. Einfach nichts. In seinem gesamten Arbeitsleben war das noch nicht passiert. Selbst die Vorstellung, dass der Tag kommen könnte, an dem irgendetwas nicht erledigt worden sein könnte, wäre bis gestern noch absurd gewesen. Aber der Tag war da. Um 16.00 Uhr würde es so weit sein: Seine Arbeit wäre nicht geschafft. Weil er seit Stunden auf den Antrag starrte, der da vor ihm lag. E 45. Von Anna Sugus. Antragsgrund: keiner.
Das konnte doch alles nicht wahr sein!
Wäre es möglich, dass Frau Sugus ein perfides Spiel mit ihm trieb? Warum sollte sie das tun? Und warum gerade er? Das ergab doch keinen Sinn! Mal davon abgesehen, dass er auch nicht glauben wollte, dass Anna sich einen Scherz mit ihm erlaubte. Anderseits: Sie war Künstlerin. War es möglich, dass er Teil einer Performance geworden war? Teil eines Kunstwerkes, ohne dass er davon wusste? Könnte sie wirklich so gemein zu ihm sein?
Albert mochte Anna Sugus, die Frau mit dem schönen Namen. Sie war zwar das Gegenteil von ihm, aber auf eigenartige Weise fühlte er sich ihr verwandt. Und was für Bilder sie malte. Waren das überhaupt Bilder? Da war ungeheuer viel Kraft, aber überhaupt keine Koordination. Keine … Ordnung. Genau, es gab keine Ordnung.
Langsam erwachte er aus seiner Starre, kramte in seiner Hosentasche und zückte einen Zettel, den Anna ihm gegeben hatte: Anna Sugus, stand da, und ihre Telefonnummer. Sie hatte eine sehr schöne Schrift, fand Albert, sehr künstlerisch. Bögen und Schwünge gingen wohlproportioniert ineinander über. Die Anfangsbuchstaben vielleicht ein wenig zu exaltiert, aber noch annehmbar. Wieso malte sie nicht so, wie sie schrieb? Ob er das mal erwähnen sollte? Von Künstler zu, nun ja, Künstler?
Er wählte ihre Nummer, hörte lange ein Freizeichen, aber niemand hob ab. Ein Anrufbeantworter sprang auch nicht an. Albert seufzte: Es nutzte alles nichts – er musste wieder zu ihr.
Es war erstaunlich, wie schnell man sich an den Weg nach draußen gewöhnen konnte. Dazu gehörte auch, dass die Drehtür ein wenig von ihrer Magie verloren hatte, was Albert sehr bedauerte, denn er liebte Magie. Aber er hatte sie in kürzester Zeit dreimal durchschritten, da verlor der Akt als solcher einfach an Zauber.
Selbst die Busfahrt nahm er verhältnismäßig gelassen hin, da er stets alleine saß, sich alle Haltestellen gemerkt hatte und durchaus Freude am Wiedererkennen einzelner Bezugspunkte hatte. Wenn ihm auch die aktuelle Mode bei Jugendlichen, ihre Hörgewohnheiten, die Unfreundlichkeit der Fahrer und die Atemlosigkeit der Straßen sehr missfielen. Die Welt hatte sich verändert, aber nicht zu ihren Gunsten, fand Albert.
Er klopfte an Annas Haustür, aber nichts tat sich.
Für einen Moment war er versucht, um das Haus herumzugehen, um vielleicht durch die Atelierfenster im rückwärtigen Teil nach ihr zu sehen, aber dichtes Gestrüpp und gute Kinderstube hielten ihn davon ab. Ratlos stand er eine Weile dort, dann kehrte er um und betrat wieder die Wertbergstraße.
An deren Ende sah er sie.
Sie querte gerade die Fahrbahn und bog dann rasch nach rechts in eine weitere Straße. Albert hatte heftig gewunken, aber sie hatte ihn nicht gesehen, woraufhin er ihr nacheilte, in der Hoffnung, dass sie ihn zwischen den Häusern und Kreuzungen nicht abhängte.
Bald schon hatte er wieder Sichtkontakt, unterließ es aber, nach ihr zu rufen, weil er das irgendwie albern fand. Sie betrat einen Supermarkt, und Albert eilte ihr nach, noch bevor er darüber nachdenken konnte, warum er diese Häuser auch schon vor seiner freiwilligen Immigration
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