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Das Glücksbüro

Das Glücksbüro

Titel: Das Glücksbüro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Izquierdo
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Gesichter hatten sie verraten, denn sie hassten, was sie sahen. Oder mochten es zumindest nicht. Oder hielten es – und das war die schlimmste Form der Heuchelei – für das Geschmiere einer Stümperin. Der Mann vom Amt war anders.
    Er urteilte nicht.
    Sie tippte ihn leicht an die Schulter, führte ihn zu einer großen mit Wasser und Pinseln gefüllten Dose und zu einem Bild, das offenbar noch nicht vollendet war, auch wenn Albert das nur vermutete, denn es sah aus wie die anderen.
    »Jeder versteht etwas von Kunst«, sagte Anna, fischte einen Pinsel aus der Dose und drückte ihn Albert in die Hand.
    »Was soll ich damit?«, fragte er.
    »Vollenden Sie es!«
    Albert erschrak: »Ich?«
    Albert sah auf den Pinsel, dann zu Anna, die es ganz offensichtlich ernst meinte. Und ganz gleich wie wuchernd, unkontrolliert und wüst die Gemälde daherkamen, so hatte Albert zu großen Respekt davor, auch nur einen einzigen Punkt darauf zu setzen. Wer wusste denn schon, ob nicht gerade dieser winzige Klecks das Werk vollkommen ruinieren würde? Ob nicht alle, die hereinkamen und sich das Bild ansahen, an diesem winzigen Klecks hängenbleiben und rufen würden: Wer hat denn das da gemacht?
    Ein einziger Punkt, und alles wäre zerstört, dachte er beunruhigt. Das war eine Verantwortung, die er nicht bereit war zu tragen, das konnte sie nicht von ihm verlangen.
    »Nur Mut!«, lockte Anna »Ich glaube, Sie sind genau der Richtige dafür.«
    »Frau Sugus …«, begann Albert.
    Im Nebenraum klingelte ein Telefon.
    Albert starrte Anna an: »Sie haben ein Telefon ?«
    Sie stutzte ein wenig und antwortete: »Natürlich habe ich ein Telefon.« Sie nickte zu ihrem Bild: »Also, los, machen Sie! Zeigen Sie, was Sie können.« Damit verschwand sie in einem der hinteren Räume und ließ Albert mit dem Pinsel zurück.
    Eine Weile starrte Albert auf das Bild.
    Plötzlich – aus einem unerklärlichen Impuls heraus – tauchte er den Pinsel in Farbe und begann zu malen. Zunächst sehr zögerlich, fast schon zittrig, dann aber mit jedem Strich sicherer. Er malte und malte und dachte nicht mehr an den winzigen Punkt, der das Bild hätte ruinieren können, und so wurde es mehr als ein Punkt, viel mehr als das.
    Er vergaß die Angst und wurde ganz friedlich. Dachte auch nicht mehr darüber nach, ob er es richtig machte oder nicht, sondern versank in seine Arbeit. So tief, dass er gar nicht bemerkte, dass Anna wieder ins Zimmer zurückgekehrt war und hinter ihm stand. Sie schwieg und sah ihm zu.
    Was sie eigentlich bewogen hatte, ihn zum Malen aufzufordern, konnte sie nicht mit Bestimmtheit sagen. Vielleicht waren es seine warmherzigen dunklen Augen, die in so krassem Widerspruch zu seiner sonstigen Erscheinung standen, denn eigentlich sah er irgendwie … grau aus. Aber jetzt, wo er dastand und pinselte, dachte sie für einen Moment, sie würde einem Kind zusehen, so seltsam entrückt waren seine Züge, und doch von so großer Ernsthaftigkeit, dass es schon wieder komisch war.
    Anna war sich sicher, dass er in diesem Moment vergessen hatte, wo er war und was er gerade tat. Und das gefiel ihr ausnehmend gut. Daher blieb sie ganz ruhig stehen und ließ ihn arbeiten.
    Als er dann den Pinsel beiseitelegte und sich das Werk ansah, trat sie neben ihn und tat es ihm nach. Sie blickten beide auf ihr Bild oder besser gesagt: auf ihr gemeinsames Bild.
    »Guter Gott! Was haben Sie nur gemacht?«, fragte Anna.
    Albert erschrak ein wenig, aber ihre Stimme hatte nicht entsetzt oder aggressiv geklungen. Nur neugierig.
    »Einen Rahmen.«
    Sie blickten beide auf das Bild und den schnurgeraden Rahmen, mit dem er das Bild in ein Spielfeld gesetzt hatte, denn er fand, nicht nur Menschen, sondern auch Bilder brauchten eines.
    »Jedes Bild braucht einen Rahmen«, ergänzte Albert, »sonst ist es nicht ordentlich.«
    Anna runzelte die Stirn: »Hm, so habe ich das noch nie gesehen …« Sie wandte sich ihm zu und strahlte: »Das ist genial!«
    Das wiederum fand Albert maßlos übertrieben, denn Rahmen waren nicht genial, sondern allenfalls eckig. Trotzdem fand er, dass das Bild besser aussah als vorher. Vielleicht hätte er eine schönere Farbe wählen können als Grau, aber da er nicht wusste welche, hatte er Grau genommen.
    Grau passte zu allem.
    Er drückte ihr den Pinsel in die Hand und fragte: »Was ist denn jetzt mit dem Antrag?«
    »Der, der sie verfolgt?«
    Albert nickte: »Ja.«
    Sie tat, als würde sie einen Moment darüber nachdenken, dann kniff sie

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