Das Glücksbüro
wie sie etwas auf das Papier schrieb, darüber grinste und ihm den Antrag zurückgab.
»Hier!«
Albert nahm den Antrag und las in der Spalte für den Antragsgrund nur ein einziges Wort: GLÜCK .
Anna strahlte: »Das ist ein schöner Antrag, finden Sie nicht auch?«
Albert starrte immer noch auf das Wort, auf die schöne geschwungene Schrift, und hatte das Gefühl, dass es genau das war, was E 45 gefehlt hatte. Unwillkürlich musste er lächeln, was Anna auffiel, denn es war das erste Mal überhaupt, dass sie ihn lächeln sah.
»Was?«, fragte sie belustigt.
»Ich heiße Glück. Albert Glück.«
Sie quietschte.
Ja, anders konnte man das Geräusch kaum nennen, ein überraschtes, vergnügtes, glückliches Quietschen. Und ehe Albert sich versah, umarmte sie ihn und hielt ihn fest. Irritiert und reichlich steif blickte er fast senkrecht auf sie herab, die sich mit ihrem Gesicht fest an seine Brust schmiegte und die Augen geschlossen hielt.
»Dann lasse ich Sie nie mehr los.«
Und scheinbar hatte sie genau das vor, denn sie hielt ihn fest, während andere vorbeigingen. Albert spürte ihre neugierigen Blicke, war irritiert über den Ausdruck in ihren Gesichtern. Wie von einer schönen Erinnerung angeknipst, wurden sie ganz hell und offen, verlöschten jedoch wieder mit jedem Schritt, bis sie schließlich wieder ganz dunkel waren, noch bevor sie ihre Autos erreicht hatten. Sie flammten auf und vergingen. Albert war ganz fasziniert davon.
Eine ganze Weile standen sie einfach da. Dann ergriff Albert plötzlich die Furcht, dass Anna tatsächlich Ernst machen würde.
»Könnten Sie mich vielleicht doch wieder loslassen?«, fragte er schüchtern.
Anna ließ ihn los.
Er half, ihre Einkäufe nach Hause zu tragen, vergaß dabei, dass er das gar nicht hätte zulassen dürfen. Im Nachhinein fragte er sich, ob er den Vorfall wirklich beim Marktleiter hätte melden müssen. Hätte er Anna Sugus wirklich in Schwierigkeiten bringen können? Früher hätte er nicht eine Sekunde darüber nachdenken müssen.
Früher … Wann war das? Schon vor dem Antrag hatte er begonnen, an seinen Überzeugungen und Gewohnheiten herumzuschrauben, mit dem Ergebnis, dass das stabile Kellerregal, in dem alles lagerte, wackelte, dass man das Geklapper noch im ersten Stock hören konnte. So konnte es nicht weitergehen!
Er würde E 45 bearbeiten, und dann wäre alles wieder wie früher.
Vor Annas Haus stellte er die Plastiktüten ab und fragte entschlossen: »Was ist denn jetzt mit dem Antrag?«
»Wieso? Ich hab doch was beantragt!«
Albert seufzte: »Vielleicht etwas, was ich auch bearbeiten kann?«
»Aber das können Sie doch!«
Sie grinste breit, und er verstand kein Wort.
Aber er würde es bald verstehen.
26.
Er wusste es in der Sekunde, als es am nächsten Morgen leise an seine Bürotür klopfte. Der Antrag hatte seine Bestimmung gefunden. Alles, was gefehlt hatte, war ein Wort. Und ein bisschen Magie.
E 45 hatte Alberts Büro zum Leben erweckt, war wie der Zettel unter der Zunge eines Golems, nicht, um zu zerstören, sondern um zu erschaffen. Es war der erste Schritt einer langen Reise und gleichzeitig der erste zurück, um das Ganze zu erkennen: das Geheimnis des Lebens und das Licht, das von ihm ausging. Die Antwort auf die Frage, welche Farbe ein Herzschlag hatte, wie ein Wort schmeckte und wonach Glück duftete.
Albert sagte Herein und von da an ließ es sich nicht mehr aufhalten.
Vor ihm standen ein molliger Italiener, mit schütterem Haar und einem Gesicht, das augenscheinlich gerne lachte. Neben ihm ein spindeldürrer Junge, vermutlich sein Sohn, mit den gleichen lustigen Augen, aber mit deutlich feineren Zügen. Sie hielten sich an den Händen, doch war es eigenartigerweise der Junge, der seinen Vater führte, nicht umgekehrt.
Albert bot ihnen den einzigen Besucherstuhl im Zimmer an, worauf der Vater gerne einging. Er setzte sich, legte die Hände auf seine Oberschenkel und rieb ein wenig verlegen daran.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte Albert freundlich.
Der Vater zeigte auf sich und sagte: »Federico Chicone.«
Albert nickte und zeigte auf sich: »Albert Glück.«
Herr Chicone zeigte auf seinen Sohn: »Marco.«
Albert nickte auch ihm zur Begrüßung zu.
Dann schwiegen sie.
Herr Chicone machte keine Anstalten, irgendetwas zu sagen.
»Was kann ich für Sie tun, Herr Chicone?«, fragte Albert erneut, um die Stille zu überbrücken.
Herr Chicone beugte sich zu seinem Sohn hinüber und flüsterte ihm etwas
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