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Das Glücksbüro

Das Glücksbüro

Titel: Das Glücksbüro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Izquierdo
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die sah gar nicht hin, packte sich nur die Waren, schob sie über den Scanner und wartete auf das Piepgeräusch. Das war schon alles.
    Ein Piep! segnete alles ab.
    Als ob nichts weiter wäre, ließ sich Anna den Kassenzettel geben und zahlte. Damit war der Einkauf erledigt, sie packte alles wieder in den Einkaufswagen und schob ihn von den Kassen weg zum Ausgang.
    Albert erwachte aus seiner Starre und hielt sie am Ellbogen fest: »Aber das geht doch nicht!«
    Wieder musste sie lächeln, weil sein Protest so aufrichtig war, so ehrlich.
    Sie fragte unschuldig: »Warum denn nicht?«
    »Weil … weil … das ist doch Betrug!«
    Anna runzelte die Stirn: »Wieso? Der Computer hat alles ganz genau vorgerechnet.«
    »A-aber …«
    »Kein Aber «, gab Anna seelenruhig zurück, »manchmal zahle ich mehr als die Waren wert sind. Das wäre ein komischer Betrug, finden Sie nicht?«
    Albert war völlig perplex, verstand die ganze krude Logik nicht, die bei genauerer Betrachtung gar keine Logik war.
    »Und was soll das Ganze dann?«
    »Das ist Kunst!«
    » Das ist Kunst?«
    »Aber natürlich!«, nickte Anna. »Sie essen Linsensuppe, die in Wirklichkeit aber Ananas sind. Oder Gummibärchen, die wie Chips aussehen. Sie essen, was der Computer Ihnen sagt, aber es ist in Wirklichkeit was ganz anderes.«
    Empörung regte sich in Albert und schoss wie die Fontäne eines Geysirs aus seinem Mund: »Sie bringen ja alles durcheinander!«
    Anna schien das nichts auszumachen. Im Gegenteil. Sie klatschte erfreut in die Hände: »Ja, toll, nicht?«
    Da standen sie nun im Eingang des Supermarktes, ein großer, grauer Anzug mit hängenden Armen und ratlosem Gesicht und ein buntes Blümchen mit etwas wirrem Haar und fuchteligen Händen, die den Mond, die Sonne und die Welt dazwischen beschrieben.
    Albert war verwirrt, wieder einmal, und er starrte auf Anna wie auf einen kleinen Schmetterling, der sich auf seinen Ellbogen gesetzt hatte. Und es war, als könnte er plötzlich etwas in dessen schönen Farben sehen, ein Muster, das sich nicht ergründen ließ, das sich versteckte, so wie sich der Schmetterling in der Puppe versteckte. Da waren Schwünge zu erkennen und das Leuchten der Pigmente. Er sah die Kraft, die Schatten, die Töne und nahm sogar ein sanftes Atmen wahr.
    Doch was war es?
    Er hätte zurücktreten müssen, wie von einem Bild, vor dem man zu nahe stand, doch dafür hätte er seine Position aufgeben und eine andere einnehmen müssen. War das Kunst? Und wenn es so war, wer gab einem die Garantie, dass man wieder zu dem zurückfand, was man war? Wo war der Stern, der einen leitete, wenn es Nacht wurde? Es gab Milliarden, doch welcher war der Richtige? Allein die Vorstellung ließ Albert schwindeln, denn er gehörte zu denen, die niemals in den Himmel blickten, wenn sie unterwegs waren. Was nutzte einem die Unendlichkeit des Universums, wenn man dabei über die Katze stolperte, die gerade den eigenen Weg kreuzte?
    Er zog den Antrag aus seinem Anzug, der ihm ganz real und ganz schmucklos im Weg stand, der sich nicht beiseiteschieben lassen wollte, der ganz sicher keine Kunst war, sondern nur das, was er war: ein Antrag, der nichts beantragte.
    »Können wir noch mal zu Ihrem Antrag kommen?«, fragte er ruhig und wähnte sich gleich wieder auf sicherem Boden.
    »Der, der Sie verfolgt?«, fragte Anna, nicht ohne einen Hauch Spott in der Stimme.
    Albert nickte: »Ja, ich werde ihn nicht los.«
    »Warum lassen Sie ihn nicht einfach verschwinden?«
    »Sie haben ja keine Ahnung«, antwortete Albert mit ehrlicher Verzweiflung, »man kann ihn nicht einfach verschwinden lassen.« Und mit einem Seufzer fügte er hinzu: »Er ist unsterblich.«
    Jetzt war es Anna, die verblüfft war, für einen Moment geradezu sprachlos, denn sie hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit. Und sie spürte, dass Albert sie nicht auf den Arm nahm. Sie sah ihn neugierig an und bemerkte erneut, was für ausgesprochen schöne Augen Albert hatte, so dunkel und tief.
    Da war mehr als ein grauer Anzug.
    Viel mehr.
    »Und wenn ich etwas beantrage?«, fragte sie und nahm ihm den Antrag aus der Hand.
    »Vielleicht findet er dann Frieden«, antwortete Albert. »Und ich auch.«
    Sie las ihren Namen, die üblichen Rechtshilfebelehrungen, ein dickes E 45 in der Ecke. Einen Antragsgrund gab es nicht, aber es gab ein wenig Platz im unteren Drittel des Antrages, so sah sie zu ihm auf und fragte: »Haben Sie einen Stift?«
    Er gab ihr sogleich einen Kugelschreiber und beobachtete,

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