Das Glücksbüro
Irrsinn Einhalt zu gebieten. Ich habe meinen besten Mann auf diesen Vorgang angesetzt und zumindest erreicht, dass der betreffende Mitarbeiter seinen Jahresurlaub eingereicht hat. Somit wäre zumindest Zeit gewonnen, um dem Problem endgültig Herr zu werden.«
Er setzte sich wieder und genoss das zustimmende Klopfen der Kollegen, die ihm ganz offenbar wohlgesinnt waren. Jedenfalls starrten sie ihn nicht mehr an wie Geier das Aas. Sommerfeldt nickte dem ein oder anderen zu und war froh über die große Solidarität und das Mitgefühl unter verantwortlichen Behördenleitern. Das hier war wie eine Familie, und er war sehr froh, ein Teil davon zu sein.
»Danke, Dr. Sommerfeldt. Als Nächstes hören wir den Kollegen aus Bayern, Dr. Dr. Huber.«
Aus den Reihen erhob sich ein runder Mittfünfziger mit roten Wangen und kreisrundem Haarausfall.
»Liebe Kollegen. Seit zwei Wochen beobachte ich in meinem Amt einen sprunghaften Anstieg der Ausgaben, der, bei näherer Betrachtung, von einer ansonsten vorbildlichen Beamtin verursacht wird. Viele Jahre tat sie ihren Dienst den Vorschriften entsprechend, doch jetzt scheint sie es sich in den Kopf gesetzt zu haben, der ganzen Welt behilflich sein zu wollen. Darauf angesprochen, sagte sie knapp, dass jeder Mensch ein Recht auf ein kleines Glück hätte. Wir haben selbstredend Maßnahmen ergriffen, und ich schließe da eine Versetzung ausdrücklich nicht aus, aber es wäre gut, wenn es hier nicht zu einem Gerichtsverfahren käme, denn das zöge nur mediales Interesse nach sich.«
Auch hier erfolgte mitfühlendes Klopfen, und Dr. Dr. Huber bedankte sich für das warmherzige Verständnis mit vielen Kopfnickern nach allen Seiten.
Drei weitere Amtsleiter wurden noch vorstellig, die ähnliche Phänomene in ihren Ämtern beobachteten und einigermaßen ratlos waren. Sie alle erhofften sich eine Strategie, wie man diesen Vorgängen begegnen konnte, ohne dabei öffentliches Aufsehen zu erregen.
Währenddessen entstand immer wieder aufgeregtes Gemurmel aller besorgten Amtsleiter, auch derer, die noch nicht Opfer durchgedrehter Beamter geworden waren, denn dass dieser Wahnsinn wie ein Virus um sich zu greifen schien, war ja offensichtlich, und die Idee vom kleinen Glück schien von Bundesland zu Bundesland zu springen und machte keinen Halt vor Pforten, Paragrafen oder Zuständigkeiten. Ein Virus, das gute Leute infiziert hatte und im Begriff war, noch viele gute Leute zu infizieren.
Dr. Isidor Sommerfeldt saß blass auf seinem Stuhl. Die Kollegen so in Aufruhr zu sehen, versetzte ihm einen Stich ins Herz: Er trug die Verantwortung für dieses Desaster. Er allein! Und so stand er auf, um Abbitte zu leisten, denn er hatte versagt. Jämmerlich versagt.
»Kollegen! Bitte!«
Sie sahen ihn an und kamen zur Ruhe.
»Ich weiß, dass die Keimzelle dieses Virus in meinem Haus liegt. Und ich weiß, dass ich es nicht abtöten konnte, bevor es auf Ihre Häuser übergegriffen hat. Und jetzt baden Sie aus, was ich hätte besser machen müssen. Ich kann nicht anders, als mich dafür zu entschuldigen. Es tut mir sehr, sehr leid, dass ich so fähige, effiziente Kollegen mit in den Abgrund einer furchtbaren Bilanz reiße.«
Er setzte sich wieder, völlig blass und fertig mit sich und der Welt. Für einen Moment herrschte Stille, doch dann gingen sie zu ihm, und er, Dr. Sommerfeldt, erfuhr so viel Trost, dass es ihm die Tränen der Rührung in die Augen trieb. Jeder wusste, so versicherte man ihm, dass er ein vorbildlicher und geachteter Amtsleiter war. Und das, was passiert war, hätte überall passieren können.
Dr. Sommerfeldt schüttelte Hände und fühlte sich erleichtert. Und nicht nur das: Kampfesgeist erwachte in ihm. Und Wut! Auf Albert Glück. Auf Wehmeyer, der nichts bemerkt hatte, als er, Isidor Sommerfeldt, noch hätte dazwischenfunken können. Und wie er dazwischengefunkt hätte! Er hätte so dazwischengefunkt, dass … dass die Funken nur so geflogen wären! Die hätte man in Berlin noch gesehen, die Funken!
»Meine Herren!«, rief er. »Lassen Sie uns darüber nachdenken, wie wir unsere Bilanzen retten können. Denn es ist offensichtlich, dass die exorbitanten Kosten unserem Staat nicht nur schaden, sondern ihn mit seiner sozialen Gerechtigkeit zerstören können!«
Auch hier gab es viel Zustimmung, bis ein PLING ! PLING ! PLING ! sie alle aufmerken ließ. Der Parlamentarische Staatssekretär hatte eine ganze Weile geschwiegen, doch jetzt klopfte er mit einem
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