Das Glücksprojekt
zeichnen und überhaupt. Kein Wunder, dass Martin Rosig immer in dich verliebt war.«
An Martin Rosig kann ich mich nun überhaupt nicht erinnern. »Ich wollte immer Sascha Probst haben«, sage ich, und das versteht nun Anne nicht. »Den Proll?«
Das mit dem Vergleichen ist schon eine komische Sache. Immer vergleichen wir uns mit Leuten, die es unserer Meinung nach besser erwischt haben. Ihre Wohnung ist größer, ihr Haar ist voller, ihr Hund ist besser erzogen und sie sind erfolgreicher in ihrem Job. In unserem Kopf spinnen wir das weiter: Ihr Sex ist aufregender (und sie haben öfter welchen), ihr Leben ist ein Bruce-Springsteen-Konzert und sie sind sowieso: glücklicher.
Weit gefehlt, natürlich. Karina selbst schätzt sich nämlich so ein: Sie hat Knubbelknie und diese schreckliche Stimme, gegen die sich nichts machen lässt. Sie hat hässliche Pumpszehen (stimmt, die hat sie mir gezeigt) und wenn sie sich aufregt, schwitzt sie geruchsintensiv. Außerdem ist sie geizig und rechthaberisch, deswegen hat sie auch ihr Exfreund verlassen, die Liebe ihres Lebens, wie sie ihn immer noch nennt. Und ihr Name klingt nicht nach Prinzessin, sondern nach der Freundin von Dieter Bohlen, das muss sie sich auch ständig anhören. Sie sagt dann immer: »Bohlen? Was für ein Bohlen?«, und besteht darauf, dass sie noch nie von dem gehört hat. Andere haben es auch nicht besser, glauben Sie mir.
Bei meinem nächsten Besuch bei Jana sitzen wir auf ihrem Sofa vor dem Fernseher und sehen uns Sex and the City an. Jana hat Popcorn gemacht, jede von uns hat eine große Schüssel davon auf dem Schoß. »Tolles Kleid«, sagt sie und deutet auf Sarah Jessica Parker, die gerade in einem unglaublich engen Chanel-Fummel die Straße entlangstöckelt. »Hmhm«, stimme ich ihr zu. »Mit der Figur kann man das tragen.« Wir sehen uns an und dann unsere Popcornschüsseln. »Hey, ich habe ein schöneres Kinn!«, sagt Jana und hält mir ihre Schüssel entgegen. »Jepp, und ich habe eine glücklichere Beziehung!«, antworte ich und stoße mit meiner Schüssel an. »Prösterchen«, tönen wir gleichzeitig und stopfen wieder recht zufrieden Popcorn in uns rein, während Carrie Bradshaw mit ihrem Pferdekinn und den Pumpszehen von einer dramatischen Liebesaffäre in die nächste stolpert und uns mit dem schönen Gefühl zurücklasst, dass wir es recht gut erwischt haben.
Aus einem ähnlichen Grund haben auch Berichte und Bücher über Leute so viel Erfolg, bei denen irgendwas richtig in die Hose geht. Waren Sie verheiratet mit einem Massai? Einem tibetanischen Veganer? Einem mongolischen Kannibalen oder zumindest mit einem karibischen Reggaemusiker? Dann schreiben Sie ein Buch drüber. Das Geheimrezept ist, an einem möglichst weit entfernten Ort mit einem möglichst andersartigen Mann eine möglichst beschissene Beziehung zu führen und anschließend darüber zu schreiben. Es ist ganz leicht: Fahren Sie in den Urlaub, lernen Sie einen exotischen Mann kennen, der unter den Achseln nach Safran riecht und ein prächtig Genital sein eigen nennt. Und anstatt sich zwei Wochen lang das Hirn rausvögeln zu lassen und beschwingt wieder zurückzufahren, verkaufen Sie die Eckgarnitur, bringen die Katze ins Tierheim und ziehen zum Schniedel-Massai. Dort werden Sie monatelang betrogen, fahren dann wieder nach Hause und schreiben das auf. Eine Menge Frauen lesen diese Bücher gerne, weil sie ihnen versichern, dass das eigene Leben mit all der Unbill und dem Mangel an Perfektion nicht das Schlechteste ist, das man erwischen kann. Man kann sich immer noch denken: Zumindest besser, als in einem staubigen Wüstenzelt zu hocken, gegen hundsgroße Spinnen und bärtige Schwiegermütter zu kämpfen und dabei vom Tuareg und seinen Kumpels tyrannisiert zu werden. Es kommt halt immer darauf an, wohin man sich vergleicht. Die oberste und einzige Regel lautet: nach unten, immer nach unten vergleichen. Machen Sie das. Wenn Sie sich einmal als totale Versagerin fühlen, schalten Sie einfach kurz eine Nachmittags-Talkshow ein. Innerhalb kürzester Zeit kommen Sie sich wieder vor wie die Queen of Currywurst.
Ein paar längst überfällige Dinge erledigen
Noch während ich überlege, welche der überfälligen Dinge ich in Angriff nehmen soll, merke ich, wie ich versuche, mir minderschwere Sachen einfallen zu lassen, um mich nicht genau mit der Angelegenheiten konfrontieren zu müssen, die ich schon lange mehr oder weniger erfolgreich verdränge. Seit Jahren hängt über meinem
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