Das Glücksprojekt
quasi quasi prendo il treno
e vengo, vengo da te,
ma il treno dei desideri
nei miei pensieri all’incontrario va.
Schmitz sieht uns verwundert an und scheint zu überlegen, wer ihn ab jetzt füttert, wenn wir überschnappen. Laut singend biegen wir in unsere Straße ein und winken Marco von der Haustür aus hinterher.
Als ich später mit meinen Bettsocken im Bett liege, lasse ich den Tag Revue passieren. Schön war er. Wir standen im Stau, das Gasthaus, in das wir wollten, war geschlossen, es hat geregnet und das Auto ging kaputt. Alles, was ich befürchtet habe, ist eingetreten. Kurz schaut eine kleine Erkenntnis vorbei, ich bin aber schon müde. Ich muss an die winzige Terrasse mit dem Schweinebraten denken und daran, wie wir Arm in Arm unter dem Baum dem Sommerregen zugesehen haben. L. summt leise Azzurro … neben mir und ich schlafe ein.
Mich ruhig mal mit anderen
vergleichen
»Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit«, hat Kierkegaard gesagt. »Och«, sage ich, »das kommt aber drauf an.« Ich habe mich zu Schulzeiten immer mit Karina verglichen. Karina war blond, hatte blaue Augen und ihre Haut war so karamellfarben wie ein Werthers-Echte-Bonbon. Außerdem hatte sie lange, schlanke Beine und einen Namen, der nach Prinzessinnen, Rosen und Verführung klang. Mein Name hingegen wurde abgekürzt zu Alex und erinnerte an einen russischen Schuljungen. Dazu hatte ich eine passende braune Kurzhaarfrisur und schlammfarbene Augen. Überflüssig, zu sagen, in welche von uns beiden Sascha Probst verliebt war. Abgesehen von Karina verglich ich mich in der Zeit noch mit:
Madonna,
Sophie Marceau aus La Boum – Die Fete ,
der Jungfrau Maria.
Ich schnitt nicht sehr gut ab. Ich war nicht so sexy wie Madonna, nicht so süß wie Sophie und ich wurde nicht angebetet. Ich konnte blicken, wohin ich wollte, alle waren besser als ich: Susi hatte einen größeren Busen, was eine Messung mit dem Maßband auf dem Mädchenklo eindeutig ergab. Nina war selbstsicherer, Katja hatte die tolleren Klamotten, Brigitte war sportlicher und Gabi besser in der Schule. Am tollsten aber war Karina. Bei der stimmte alles. Die kam eigentlich gleich nach der Jungfrau Maria. Ich kenne Karina immer noch. Sie ist nicht dick und hässlich geworden und hat auch keine drei Kinder von vier Alkoholikern, wie es die klassische Moral von der Geschichte wäre. Im Gegenteil. Sie ist Tierärztin geworden, hat einen charmanten Mann geheiratet und schiebt gerade einen Siebenmonatsbauch vor sich her. Selbstverständlich hat sie kein Wasser in den Füßen, kotzt nicht und hat, außer am Bauch, nirgends auch nur ein halbes Pfund zugenommen. Sie möchte einem fast unsympathisch werden. Ich nenne es das Heidi-Klum-Syndrom. Ich hatte sogar Sorge, L. Karina vorzustellen. Ich malte mir aus, wie er ihr in die Augen sehen, ihre Hand küssen, sich dann zu mir umdrehen und so etwas sagen würde wie: »Gut, dann hole ich morgen meine Sachen und viel Glück noch auf deinem restlichen Lebensweg.« Als es so weit ist, sieht er ihr zwar in die Augen, aber er küsste sie nirgends hin und er sagt nur: »Hallo.« Als wir an dem Abend im Bett liegen, frage ich L., was er von Karina hält. »Ganz nett«, sagt er und angelt nach seinem Buch auf dem Nachttisch.
»Wie nett?«, hake ich nach. »Ich meine, wie nett genau?«
»Nett halt.«
Manchmal sind Männer zu nichts zu gebrauchen. Da lernt L. die Miss Perfect meiner Jugend kennen und es fällt ihm nicht mehr ein als nett ? Ich stütze meinen Kopf auf den Ellbogen und sehe ihn an. »Ist dir aufgefallen, was für lange Beine sie hat? Und diese karamellfarbene Haut? Und wie witzig sie ist?«
L. sieht mich erstaunt an. »Na ja«, sagt er. »Ehrlich gesagt, mir ist ihre Stimme aufgefallen, die ist ein bisschen piepsig.«
Ich küsse ihn leicht aufs Ohr. »Ich liebe dich«, seufze ich erleichtert und sinke ins Kissen. L. lächelt irritiert und wendet sich wieder seinem Buch zu. Als ich tags drauf mit Anne telefoniere, erinnert die sich gut: »Karina, klar kenn ich die noch, das war doch die mit der Micky-Maus-Stimme.«
»Komisch«, sage ich, »das habe ich noch nie bemerkt. Ich habe sie immer bewundert, ich fand sie so toll und wollte so gern sein wie sie.«
»Das ist ja lustig«, antwortet Anne. »Und ich wollte damals immer so sein wie du.« Da bin ich nun total baff. »Wie ich? Wieso das denn?«
»Na ja, du warst so geheimnisvoll und du hast so schöne grün-braune Augen, du konntest so gut
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