Das Glücksprojekt
sieht, denkt man an den, der einen beschenkt hat«, findet sie. Ja, das glaube ich auch. Ich würde jedes Mal, wenn ich den Mond ansehe, an L. denken. Was für ein Trottel er ist, dass er einem Mondgrundstücksmakler auf den Leim geht.
Einen Geldkoffer. Dabei handelt es sich um einen Koffer mit 150.000 Euro in gebrauchten Scheinen. Der kostet 24,90 Euro. Klingt nach einem guten Geschäft, denke ich und sehe mir die Anzeige näher an. Es sind tatsächlich 150.000 Euro in dem Koffer, einziger Nachteil: Sie sind geschreddert. Gechreddert! 150.000 Euro in Schnipseln! Ich frage mich, ob sich da jemals jemand drüber gefreut hat – das ist doch ein Hohn, oder? 150 Tausend Tacken so nah und doch so fern. Ich säße wahrscheinlich tagelang mit Pritt-Stift und Tesa vor meinem Geldkoffer, käme mir verarscht vor und würde den Schenker direkt auf das Mondgrundstück wünschen.
Dann entdecke ich aber ganz unten einen famosen Geschenkvorschlag: Hubschrauber selber fliegen. Da darf man, solange man sich nicht zu blöd anstellt, während eines Hubschrauberfluges die Steuerung übernehmen. Yes. Das ist doch toll. Besonders für einen Freund von Schaltern und Knöpfen und Technik. Das Ganze kostet 359 Euro, das ist jetzt nicht wenig, aber für ein einmaliges Super-duper-Geschenk geht das schon. Als ich meine Kreditkartennummer in das Onlineformular eingebe, horche ich sehr genau hin: Ich fühle mich kein bisschen glücklich. Null, nada, niente. Ich fühle nur ein leichtes Unbehagen, wegen des vielen Geldes.
Am nächsten Tag stehe ich in der Arbeit vor der Kaffeemaschine und erzähle Lena, unserer Praktikantin, von meiner Geschenkidee. »Und wann schenkst du es ihm?«, fragt sie, und ich überlege. »Vielleicht erst, wenn es wärmer ist? Es ist doch gerade eiskalt und in so einem Hubschrauber – ich weiß ja nicht, aber haben die da eine Heizung?« Da lacht jemand hinter mir: »Nein, eine Heizung gibt es da bestimmt nicht.« Die Drösel. Wo die immer herkommt, die tumbe Nuss.
Als ich am nächsten Sonntag meinem Stiefvater von der Superidee erzähle, ist der gar nicht so begeistert. »Aha«, sagt er und zündet sich eine Zigarre an. »Ich dachte immer, L. hätte so gerne eine Triumph?«
Ich schiebe eine Spargelstange auf meinem Teller von links nach rechts. »Ja. Eine Triumph Bonnville.«
»Hmhm«, macht mein Stiefvater und nickt mit dem Kopf. »Schönes Motorrad.« Ich runzle die Stirn. »Weißt du, wie viel so ein Ding kostet?«
»Nein«, antwortet mein Stiefvater. »Und du?«
Ich weiß es auch nicht. Aber ich bin mir sicher, es ist viel. Mehr als ein Hubschrauberflug und wahrscheinlich auch mehr als eine Zehnerkarte Hubschrauberflüge. Zu Hause sehe ich die Annoncen in der Zeitung und im Internet durch und sehe eine Anzeige für 900 Euro. Das geht ja, denke ich und bemerke kurz darauf, dass es sich dabei ausschließlich um ein Ersatzteil handelt. Das billigste, das ich finde, ist ein Unfallmotorrad, 200 Kilometer von unserer Stadt entfernt. Trotzdem ist der Preis noch stattlich – in meinem Kopf rattert es los:
Eventuell als Geburtstagsgeschenk zum 40. und eventuell, wenn sich Freunde und Verwandte beteiligen … allerdings muss ich das dann organisieren. Ich kenne mich auch leider überhaupt nicht mit Motorrädern aus, ich müsste jemanden bitten, das Ding für mich anzuschauen. Und wie soll ich es überhaupt hierherbekommen? Spätestens bei dieser letzten Frage geht mir auf, dass ich Argumente sammle, warum diese Motorradsache nicht klappen kann. Es ist überhaupt kein Problem, ein Motorrad 200 Kilometer von A nach B zu fahren. Ich kenne auch jemanden, der sich mit mir das Gefährt ansehen würde und der weiß, ob es sich um ein Schnäppchen oder die Niete des Jahrhunderts handelt. Und Freunde und Verwandte zu fragen, ob sie Lust haben auf ein Gemeinschaftsgeschenk, das ist jetzt auch kein himmelschreiender Aufwand. Aber es ist ein Aufwand. Und den scheue ich instinktiv. Im Internet eine Kreditkartennummer einzugeben, ist einfacher, keine Frage. Wenn ich so überlege, welche Geschenke mich am meisten freuen, dann fallen mir als Erstes die selbst gebackenen Torten von Anne ein, die, weil Anne Backen hasst, umso wertvoller sind. Oder der liebevoll bemalte Mülleimer von Jana. Oder als L. heimlich Klavierstunden nahm, um mir an meinem Geburtstag mein Lieblingslied vorzuspielen. Er, der noch nie vor einem Instrument gesessen war. Die schönsten Geschenke sind die, für die sich jemand wegen uns Mühe gegeben hat. Die
Weitere Kostenlose Bücher